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Zur Eröffnung der Medientage München wettert Bayerns Edmund Stoiber gegen die Verfassungsklage der ARD und freut sich aufs Springer-Fernsehen

Aus München HANNAH PILARCZYK

In Deutschland wird sich zu viel beschwert. Dagegen gibt es Werbekampagnen und Edmund Stoiber. Der hat nämlich in seiner Eröffnungsrede zu den 19. Medientagen München kräftig Stimmung gegen die angekündigte Verfassungsklage der ARD gemacht. Die ARD-Intendanten hatten am Dienstag beschlossen, gegen die Festlegung der Rundfunkgebühren durch die Ministerpräsidenten nach Karlsruhe zu gehen (siehe taz von gestern).

Die aktuelle Gebührenerhöhung war nämlich deutlich geringer ausgefallen als die – verfassungsrechtlich eigentlich verbindliche – Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF). Deshalb halten nicht wenige die Erhöhung für verfassungswidrig. Stoiber dagegen verglich die Klage mit Verfahren, wie sie verarmte Bundesländer wie Berlin oder das Saarland gegen den Bund anstreben, um Zuschüsse für ihre Haushalte zu erhalten. Das sind zwar komplett unterschiedliche Verfahren, doch mit dem Stoiber’schen Verbalrasenmäher wurden sie auf dieselbe polemische Kürze gestutzt: „Das sind keine Verfassungsstreits, sondern Verteilungsstreits.“

Nun, das schließt sich weder aus, noch erklärt es, warum der Jurist Stoiber ein legales Verfahren wie die ARD-Klage so vehement bekriegt. Aber im Kampf für ein Deutschland, in dem alle mehr sparen und weniger klagen, ist das wohl in Ordnung. Zwar klagen auch die privaten Rundfunkveranstalter gern – aktuell streben sie ein Verfahren in Brüssel gegen das deutsche Gebührensystem an –, aber das scheint nach Stoiber-Logik nicht nur etwas völlig anderes, sondern auch etwas völlig Gerechtfertigtes zu sein.

Vielleicht lässt sich Stoiber aber auch noch von der guten Laune von Jürgen Doetz vom Privatsender-Verband VPRT anstecken: „Ich begrüße die Klage der ARD“, freute sich Doetz bei der anschließenden Elefantenrunde, dem so genannten Mediengipfel. Die Klärung, wie künftig die Gebührenhöhe festgelegt werde, sei überfällig.

Lauen Gegenwind erhielt Stoiber nur vom ARD-Vorsitzendem Thomas Gruber. Wen wundert’s: Gruber ist im Hauptberuf Intendant des Bayerischen Rundfunks, ein im CSU-Staat nicht ganz Stoiber-ferner Job. Gruber konstatierte also: „Es geht uns nicht ums Geld, sondern ums Prinzip.“ Und dann gab’s auch gleich Lob von Stoiber für die Öffentlich-Rechtlichen: die ARD erhielt’s für ihre „lückenlose und konsequente“ Aufklärung des Schleichwerbeskandals, das ZDF dafür, dass es bei der Verfassungsklage nicht mitmacht. Aber das wollte ZDF-Intendant Markus Schächter anders als in den Tagen zuvor dann plötzlich doch nicht so gemeint haben: „Wenn unsere laufenden Gespräche zum zukünftigen Verfahren nicht zufriedenstellende Ergebnisse bringen, ist die Klage eine ernst zu nehmende Option“, sagt jetzt plötzlich auch der sonst medienpolitisch übervorsichtige ZDF-Chef.

Da Stoiber ja demnächst nach Berlin geht, gab es zum Schluss auch noch ein Grußwort in Richtung Berliner Axel-Springer-Straße. Nachdem Bertelsmann durch den Kauf von RTL schon so beeindruckend vorführe, wie man crossmediale Synergien nutze, freute sich Stoiber regelrecht auf die Übernahme der ProSiebenSat.1-Senderfamilie durch den Springer-Verlag: „Wir brauchen in Deutschland einen weiteren integrierten Player mit internationalem Ehrgeiz.“ Das wollte wohl auch Wolf-Dieter Ring, Chef der Bayrischen Landesmedienanstalt und expliziter Springer-Fusionsbefürworter, sagen. Stattdessen rückte ihm ein verschämtes „Wir haben schon bei Bertelsmann nicht so genau hingeschaut“ heraus. Macht nichts, erstens stimmt es ja leider. Und zweitens – wie hatte Stoiber den staatsfernen Medienwächter Ring doch gleich vorgestellt? „Mein Rundfunkreferent“, sagte der Regierungschef allen Ernstes. Das ist zwar Ring schon lang nicht mehr. Es zeigt aber nur zu gut, wie blauweiße Medienbelange auch vom künftigen Bundeswirtschaftsminister sicher nicht vernachlässigt werden. Schließlich versteht man sich nicht nur in Sachen Springer ausnehmend gut.