Das Ding, das kommt
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Mit der Ecstasy-Pille geht es los. Kai Hensels Theatermonolog klärt auf: „Welche Droge passt zu mir?“ Foto: gemeinfrei

EinsamerTrip

Eine Pille für Mathe, ein Näschen vorm Sport und nach der Schule erst mal eine dicke Tüte. Eine große Tupperdose mit Gras und Pülverchen, bunten Uppern und Downern und ganze DIN-A5-Bögen Löschpapier mit LSD hatte mein polytoxikomaner Klassenkamerad spätestens seit der Vorstufe immer dabei – und uns daraus immerzu diverse Kombinationen angepriesen, die uns nicht nur den Schulalltag erleichtern würden: Kokain und LSD zum Beispiel, da könne man ein einstündiges Referat über jedes denkbare Thema einfach aus dem Kopf halten, hat er behauptet. Ohne Vorbereitung.

Ein Spinner natürlich, politisch stramm reaktionär und Anhänger einer ebenfalls ziemlich bunten Kombination wirrer Verschwörungstheorien. Aber in Sachen Drogen erstaunlich offen und pragmatisch. Für jede Lebenssituation das richtige Mittelchen: Chemie der Lebensbewältigung. Nur Alkohol, das ging nicht, da war er plötzlich ganz Moslem.

Nach den Abiturklausuren hat er behauptet, er habe sie alle „auf Pappe“ geschrieben. Wie dem auch sei: Sein Abi hat er jedenfalls – wie nüchtern auch immer – geschafft. Und wenn man ihn danach in der Uni traf, erzählte er, er sei – ganz folgerichtig – Chemiker geworden. Andere behaupten: Man trifft ihn nur am Hausmeisterhäuschen.

Ähnlich pragmatisch geht auch Hanna in Kai Hensels Theatermonolog „Welche Droge passt zu mir?“ ans Werk. Um all den unterschiedlichen Rollenerwartungen entsprechen zu können: für den Ehemann im tristen Schöner-Wohnen-Idyll die fürsorgliche Gattin; für den sensiblen Sohn, den sie kaum ertragen kann, die liebevolle Mutter.

Aber ohne „Mothers Little Helpers“ klappt es eben nicht mehr mit dem Empathisch- und schon gar nicht mit dem Glücklichsein. Erst recht nicht, als der Ehemann das Familienglück mit neuem Eigenheim und zweitem Kind perfektionieren will. Und so perfektioniert Hanna ihren Gehirnchemiebaukasten, recherchiert, kombiniert, experimentiert – und fundiert das Ganze in ihrem 60-minütigen Bühnen-Diavortrag auch philosophisch. Ausgerechnet mit dem tugendhaften Seneca: „Nur Kleinmütige und Schwächlinge wählen den sicheren Pfad. Der Held geht über den Gipfel.“

Dass es danach steil bergab geht, für Hanna und meinen Klassenkameraden nicht mehr denkbar. Wenn die Fassade unübersehbar bröckelt: Der Hausmeister wird es schon wieder richten. MATT

„Welche Droge passt zu mir?“: Fr, 15. 1. und Sa, 16. 1., 20 Uhr, Hamburger Sprechwerk, Klaus-Groth-Straße 23. Sa, 16. 1., 20 Uhr, Deutsches Theater Göttingen