Einfach im Nichts schweben

FLOATING Um die Anspannungen des Alltags abzuschütteln, lassen sich Menschen im Salzwasser treiben. Im Stillen, unter Ausschluss aller äußeren Reize. Ein Selbstversuch

Ob es sich so anfühlt, wenn man im Toten Meer schwimmt? Das Gefühl der Schwerelosigkeit könnte ähnlich sein, aber das Ambiente ist anders: Im Float-Center in der Hamburger Hafencity taucht eine indirekte Beleuchtung die Wände in warmes Dimmerlicht. Leise Entspannungsmusik rieselt aus unsichtbaren Lautsprechern, flauschige Handtücher liegen bereit. Hinter einer Glaswand: Eine riesige Badewanne voll Salzwasser.

„Vorher bitte nicht so warm duschen, sonst frieren Sie im Wasser“, hat Mike Strotmann, der Betreiber von Float Hafencity, mir geraten. Also: eine lauwarme Dusche und ab in die Wanne. 1.200 Liter Salzwasser sind in dem Becken, gemischt im Verhältnis 1:1, also 600 Liter Wasser und 600 Kilo Salz. Da Salz an sich schon einen Anteil Wasser enthält, kommt die Flüssigkeit auf einen Salzgehalt von 26 Prozent. Genug, damit der Körper auf dem Wasser schwimmt.

Floaten heißt auf deutsch Schweben und so fühlt es sich auch an: schwerelos. Nichts wirkt von außen auf den Körper ein – kein Gewicht, keine Anziehung, kein Reiz. Selbst das Temperaturempfinden ist neutral: Das Wasser ist temperiert wie die Hautoberfläche, die Luft 35 Grad warm.

Ich friere nicht und ich schwitze nicht, während ich reglos im Nassen treibe. Die äußeren Reize komplett auszuschalten, darum geht es.

So floate ich ein bisschen unter dem gedimmten blauen Licht auf der Wasseroberfläche und lausche dem Nichts, während sich auf meinem Bauch und auf der Brust kleine Salzkristalle bilden. Kein Geräusch dringt von außen herein. Das Gefühl für Zeit und Raum, für oben und unten verschwimmt.

„Bis zu 80 Prozent unseres Gehirns sind permanent damit beschäftigt, äußere Reize zu verarbeiten“, erklärt Srotmann. „Die Welt um uns herum wird immer schneller, aber das Gehirn kommt nicht hinterher. Wir schaffen uns keine Ruhepausen mehr.“ Um sich diesePausen im hektischen Alltag einzurichten, kommen die Leute zu ihm. Eine Stunde Tiefenentspannung kostet in seinem Studio 65 Euro.

Das Konzept kommt aus den USA: Der Hirnforscher John Lilly hatte in den 50er Jahren untersucht, wie sich Reizentzug auf die Hirnregionen auswirkt. Er stellte fest, dass extreme Entspannung die Aktivität einiger Hirnfunktionen steigert. Um die Auswirkungen buchstäblich in Ruhe zu erforschen, baute er den ersten Floating-Tank. In Deutschland gibt es seit Anfang der 2000er Jahre Unternehmen, die Floating als Entspannungstechnik anbieten.

Seit 2008 betreibt Strotmann in Hamburg zwei Floating-Center als Franchiseunternehmen. Davor hat er bei VW gearbeitet. „Bis ich keine Lust mehr hatte, für ein Großunternehmen zu arbeiten“, sagt er. Und er räumt ein: „Burnout kann ein Thema gewesen sein“.

Floating ist zu 99 Prozent Wellness, sagt Strotmann, habe aber auch eine medizinische Wirkung. Heilungsprozesse im Körper funktionieren besser in Ruhe. Verspannungen lösen sich, sobald man den Kopf aufs Wasser bettet. Auch KrebsärztInnen empföhlen Floating, um die Heilung zu fördern.

Strotmann selbst versucht, mindestens einmal im Monat zu floaten. Das sei nicht immer leicht, als Chef von zwei Läden. Das eine oder andere Mal sei er dabei auch schon eingeschlafen und später im trockenen Becken aufgewacht. Dass passiere einigen. „Ist aber nicht schlimm“, sagt er. „Dann hatte man wenigstens einen entspannten Schlaf.“ Katharina Schipkowski