Spanien ignoriert die Melilla-Opfer

MADRID taz ■ „Die spanische Guardia civil zerstört Familien“, klagt Mary Magdalene Arrah Abunaw. Die junge Frau aus Kamerun ist die Schwester des ersten Todesopfers am Grenzzaun der spanischen Exklave Melilla an der nordafrikanischen Küste. Ihr 17-jähriger Bruder Joseph Abunaw starb dort in der Nacht vom 28. zum 29. August dieses Jahres bei einem der Massenanstürme auf den Grenzzaun. Mindestens 13 weitere Flüchtlinge ereilte seither das gleiche Schicksal. Gestern veröffentlichte amnesty international in Madrid einen Bericht. Darin wirft die Organisation Spanien und Marokko schwere Menschenrechtsverletzungen vor. „Mein Bruder wurde von einem spanischen Grenzpolizisten verprügelt und auf marokkanisches Gebiet zurückgetrieben“, sagt Arrah Abunaw. Dort fanden ihn wenig später andere Flüchtlinge. Er hatte eine tiefe Verletzung durch ein Bajonett. Joseph spuckte Blut und starb kurz darauf. „Unser Anwalt hat die spanischen Behörden mehrmals aufgefordert, den Fall zu untersuchen“, erklärt Josephs Schwester Mary Magdalena. Doch weder der Brief an Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero noch der an Außenminister Miguel Angel Moratinos noch an Spaniens Botschafter in Kamerun wurde beantwortet. Der Familie fehlt das Geld, den Toten in seinen Heimatort Douala an Kameruns Atlantikküste zu überführen. Arrah Abunaw hofft jetzt auf Geld von der Stiftung Mohamed V. „Menschen wie mein Bruder sind nicht verrückt. Sie durchqueren die Sahara, weil sie ein besseres Leben suchen“, sagt Arrah Abunaw. Joseph, der einen Fachschulabschluss im Hotel- und Gaststättengewerbe hatte, sollte diese Chance nie bekommen. Neben der Wahrheit will Arrah Abunaw nur eines: „Für unsere Familie wäre es genug Entschädigung, wenn so etwas wie mit Joseph nie wieder passiert.“ REINER WANDLER