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Sie haben es satt

Agrarindustrie und Tierrecht Rund um die jährliche „Wir haben es satt“-Demo steigen zahlreiche Aktionen und Infoveranstaltungen. Tierrechtler verleihen die „Rosa Brille“

Auf die Straße für eine ökologisch-soziale Agrarwende: die BUNDjugend 2014 bei „Wir haben es satt“ Foto: flickr.com/photos/_bundjugendflickr.com/photos/_bundjugend

von Donata Kindesperk

Der Januar in Berlin bietet Veranstaltungen zu Agrarindustrie, Tierhaltung, Nahrungsmittelerzeugung und Tierrechten ohne Ende. Warum eigentlich? Anstoß bietet die große Selbstdarstellungsmesse der Agrarindustrie, die „Grüne Woche“, die größte Messe für Ernährungswirtschaft, Landwirtschaft und Gartenbau der Welt, die im letzten Jahr weit über 400.000 Besucher*innen anzog.

Parallel dazu ist das Aktionsbündnis „Grüne Woche demaskieren“ auch in diesem Jahr wieder aktiv, um der beschönigten Darstellung der Agrarindustrie, wie sie auf der Messe zu sehen ist, etwas entgegenzusetzen. Das Programm umfasst unter anderem Mitmachmöglichkeiten beim kreativen Straßenthea­ter, am Samstag wird dazu ein Workshop angeboten. Ziel ist es, fünf einfache Szenen einzustudieren, die am 12., 20. und 23. Januar vor dem Messegelände gespielt werden sollen. Außerdem soll ein verstecktes Theater in der S-Bahn zur Messe stattfinden, um Besucher*innen der „Grünen Woche“ für Tierwohl zu sensibilisieren.

Die Verleihung eines Preises an die tierausbeutende Industrie „für exzellente Öffentlichkeitsarbeit und professionelle Meinungsmache“ durch das Aktionsbündnis findet am Montag zum zweiten Mal statt. Erster stolzer Preisträger war 2014 der Deutsche Bauernverband; dieses Jahr zeichnet „Grüne Woche demaskieren“ den Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) aus. Dieser hatte im September 2015 seine „Geflügel-Charta“ veröffentlicht, in der aus Sicht des Aktionsbündnisses besonders hinsichtlich der drei Punkte Tierwohl, Ressourcenverbrauch und soziale Verantwortung unzutreffende Selbstdarstellung betrieben wird.

Am Samstag, dem 16. Januar, findet dann die agrarindustrie-kritische Großdemonstration „Wir haben es satt“ zum sechsten Mal statt. Sie wird von einem breiten Bündnis getragen, unter den Trägerorganisationen sind Riesen wie der BUND, Attac oder der Nabu. Im Aufruf der Demo, die sich gegen Massentierhaltung und für eine bäuerliche Landwirtschaft ausspricht, heißt es: „Agrar- und Ernährungspolitik müssen sich an den Interessen der Menschen, Tiere und Umwelt, nicht der Konzerne orientieren.“ Zusammengefasst: „Wir haben Agrarindustrie satt!“

Im Mobi-Video verweist der Landwirt Mathias von Mirbach auf die negativen Folgen einer exportorientierten Landwirtschaft, deren Folge ein Bauernsterben in Deutschland weltweit ist. Zu erproben seien vielmehr neue Formen des Anbaus und der Lebensmittelverteilung.

Montag, 11. Januar: Verleihung der Rosa Brille 2016, 10 Uhr, Haus der Land- und Ernährungswirtschaft, Claire-Waldoff-Straße 7

Samstag, 16. Januar: „Wir haben es satt“, Demo, 12 Uhr, Potsdamer Platz

Der Tierschutz wird im Aufruf zur Demo neben der Forderung nach gerechtem Welthandel oder auch dem Erhalt bäuerlicher Strukturen als zentrales Anliegen genannt und tierquälerische Massentierhaltung klar abgelehnt, aber die wirtschaftliche Nutzung von Tieren nicht in Frage gestellt. Im vergangen Jahr nannten das Bündnis eine Besucher*innenzahl von 50.000, von etwa halb so vielen Menschen berichtete hingegen die Polizei.

Auch die Böll-Stiftung widmet sich den Themen Landwirtschaft und Mensch-Tier-Beziehungen: Am Montag wird im Rahmen der Diskussionsveranstaltung „Alles erste Sahne? Die Zukunft der Milchbauern in Deutschland“ auch den negativen Auswirkungen der europäischen Milchindustrie auf die Milchwirtschaft in den Ländern des globalen Südens nachgegangen. Empfohlen sei auch die Lesung „Schweine“ des Kulturwissenschaftlers Thomas Macho am Dienstag. Beide ­Veranstaltungen finden jeweils um 19 Uhr in der Schumannstraße 8 statt.

Die umfangreiche Veranstaltungsreihe „Landwirtschaft – Krisenwirtschaft?“ im Januar an der Technischen Universität thematisiert in zahlreichen Vorträgen auch Verbesserungsvorschläge wie bio-vegane solidarische Landwirtschaft oder die „Lebenshöfe in der Tierrechtsbewegung“.