Stoiber kämpft für Pullacher Agenten-Häusl

Eigentlich sollte der Bundesnachrichtendienst komplett von Bayern nach Berlin ziehen. Alle wollten das – außer der CSU und Agenten mit Eigenheimen. In den Koalitionsverhandlungen will Stoiber den Plan doch noch revidieren

BERLIN taz ■ Auch nach seiner Nominierung als Bundeswirtschaftsminister im künftigen Kabinett von Angela Merkel versteht sich Edmund Stoiber als bayerischer Landesvater. Anfang der Woche erklärte der CSU-Chef, den geplanten Umzug des Bundesnachrichtendienstes (BND) von Pullach nach Berlin im Rahmen der Koalitionsverhandlungen mit der SPD neu verhandeln zu wollen.

Im April 2003 hatte Rot-Grün den Umzug des deutschen Auslandsgeheimdienstes beschlossen, damit der Geheimdienst näher an den politischen Entscheidungsträgern sitzt. Und alle waren dafür, die SPD und die CDU, die Grünen und selbst die PDS. Nur den Bayern lag der Plan die ganze Zeit schwer auf der Seele.

Ob Stoiber mit seinem erneuten Vorstoß nun allerdings erfolgreich sein wird, ist offen. Immerhin hat der Bund im August für 47,6 Millionen Euro an der Chausseestraße im Berliner Bezirk Mitte bereits ein etwa zehn Hektar großes Gelände für ein neues Hauptquartier des Geheimdienstes gekauft. Bis zum 1. April 2006 soll hier allerdings ein Rücktrittsrecht vereinbart worden sein. Theoretisch könnte die neue Bundesregierung also noch vom Kauf zurücktreten. Damit pokert Stoiber jetzt offenbar, denn für Bayern geht es um einen großen Arbeitgeber und damit um ungefähr 4.000 Steuerzahler.

Eigentlich soll bis zum Jahre 2011 der „Komplettumzug“ des BND vollzogen sein. Über eine Milliarde Euro wird das kosten. Auch viele der Agenten halten gar nichts davon, ihr Einfamilienhäuschen im Isartal gegen eine Mietwohnung in der quirligen Hauptstadt zu tauschen. Als Kompromiss, so ist zu hören, sollen nur einzelne Abteilungen nach Berlin ziehen, der Pullacher Standort jedoch soll erhalten bleiben. Dafür könnte sich Berlin offiziell Hauptstandort nennen dürfen, während Pullach als Außenstelle firmieren würde. Unterm Strich somit eine Umkehrung der gegenwärtigen Sprachregelung. Denn auch wenn man sie nicht sieht, bereits Mitte der 90er-Jahre kamen die ersten 200 BND-Geheimdienstler als so genannte Kopfstelle nach Berlin. Inzwischen sind es rund 1.000.

Auch BND-Präsident August Hanning ist regelmäßig in Berlin. Angesichts der veränderten Sicherheitslage in der Welt, so heißt es gegenwärtig noch unisono bei BND und Politik, sei es wichtig, durch unmittelbare Nähe „die Bundesregierung und andere Entscheidungsträger zu stärken“. Gemeint ist damit unter anderem die Bedrohung durch islamistische Terroristen, die eine rasche Information von Bundesregierung und Bundestag nötig mache.

Wird die komplette Verlagerung des BND allerdings trotz Stoibers Sperrfeuer wie geplant umgesetzt, geschieht mehr als nur ein schlichter Agentenumzug. Eine Ära geht dann zu Ende. Schon Reinhard Gehlen, der 1947 die „Organisation Gehlen“ gründete und 1956 erster Präsident des Bundesnachrichtendienstes wurde, träumte von einem unmittelbaren Zugang zur Regierung. Doch dem General der ehemaligen Nazi-Wehrmacht blieb solche Ehre verwehrt. „Mit solchen Leuten“ wolle man nicht unter einem Dach leben, hieß es nicht nur bei den ersten CDU-Regierungen unter den Kanzlern Konrad Adenauer und Ludwig Erhard. Mit Gerhard Schröder hat sich dies geändert. Der BND ist wieder hoffähig geworden.

OTTO DIEDERICHS