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Widerspruch ist immer ratsam

TRICKSEREI Inkasso-Unternehmen verlangen häufig überhöhte Zahlungen. Doch auch bei berechtigten Forderungen ist oft ein Kuhhandel möglich. Und Widerspruch sollte man in jedem Fall einlegen

Mit harten Bandagen: Manchmal spähen Inkassofirmen die Schuldner sogar aus Foto: Joerg Modrow/laif

VON HANNES KOCH

Die Anruferin ließ nicht locker. Mehrmals meldete sie sich und versuchte, Informationen zu ergattern – zuerst bei den Kindern, schließlich bei den Eltern. Zum „Datenabgleich“ möge man doch bitte seinen Namen und die Postadresse nennen. Auf die Frage, um welches Anliegen es gehe, verweigerte sie die Auskunft. Offenkundig jedoch handelte es sich um Anrufe eines Inkassounternehmens, das Geld eintreiben wollte.

Die Angerufenen blieben standhaft. Sie konnten den Namen der Firma ermitteln und erkundigten sich. So kam zutage, dass sie Opfer eines Tricks von Inkassobetrügern hätten werden können. Offensichtlich versuchte die Firma, an unbescholtene Bürger finanzielle Forderungen zu stellen. Dazu brauchten die Trickser aber deren Namen und Adressen. „In solchen Fällen sollte man am Telefon auf keinen Fall Informationen preisgeben“, rät Jana Brockfeld von der Berliner Verbraucherzentrale.

Dieser Trick sei allerdings die Ausnahme, sagt die Juristin. Meist würden Inkassounternehmen Briefe schicken, um ihre Forderungen durchzusetzen. Findet sich solch ein Schreiben im Briefkasten, sollten die Empfänger zunächst recherchieren, ob es sich um ein registriertes Inkassounternehmen handelt, empfiehlt Brockfeld. Denn nur dann dürfen Forderungen überhaupt durch das Inkassounternehmen eingezogen werden.

Hilfe bei Ärger

Auf der Seite www.rechtsdienstleistungsregister.de lässt sich überprüfen, ob eine Inkassofirma registriert ist und Forderungen überhaupt eintreiben darf. Dort gibt man den Namen des Unternehmens oder der Geschäftsführung unter „Regis­trierung suchen“ ein.

Hilfe bei Ärger mit Inkasso-firmen bieten Rechtsanwälte und die Verbraucherzentralen. Die Berliner VZ ist hier zu erreichen: Hardenbergplatz 2, 10623 Berlin, (0 30) 21 48 50. www.verbraucherzentrale-berlin.de.

Auf der Internetseite www.rechtsdienstleistungsregister.de kann man nachsehen, ob das jeweilige Inkassounternehmen bei einer Aufsichtsbehörde registriert ist. Sei das nicht der Fall, solle man besondere Vorsicht walten lassen. Weil manche ihrer Forderungen zum Jahresende verjähren, schicken Inkassofirmen im Dezember gerne noch einmal Mahnungen an die angeblichen Schuldner hinaus, erläutert der Berliner Rechtsanwalt Thomas Hollweck. Deshalb hat der Inkassospezialist in den letzten Wochen des Jahres besonders viel zu tun. Erhält man ein Schreiben mit einer finanziellen Forderung, empfiehlt Hollweck dieses Vorgehen: „Prüfen Sie zunächst, ob die gesetzlich vorgeschriebenen konkreten Angaben im Schriftstück enthalten sind.“

Aufgrund neuer gesetzlicher Vorschriften, die durch das sogenannte Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken Ende 2014 eingeführt wurden, müssen Inkassofirmen in ihrem ersten Schreiben beispielsweise genau angeben, wodurch die finanzielle Forderung zustande gekommen ist, auf welchem Vertrag sie beruht und welche Person oder Firma sie erhebt. Außerdem sind die Eintreiber verpflichtet, die verlangte Geldsumme exakt in Hauptforderung, Verzugszinsen und Gebühren aufzuschlüsseln. Diese gesetzlichen Änderungen wurden eingeführt, damit die Adressaten die Forderungen überprüfen können.

Genau das sollten die angeblichen Schuldner auch tun, rät Anwalt Hollweck. „Kontrollieren Sie etwa in Ihren Unterlagen, ob Sie zum angegebenen Zeitpunkt überhaupt einen Einkauf im Internet getätigt oder ein Abonnement abgeschlossen haben.“ Wenn dem so ist, folgt als nächster Schritt ein Blick in die Kontoauszüge: Habe ich die Rechnung bezahlt? Wenn sich die entsprechende Überweisung findet, ist die Forderung offensichtlich unbegründet. Hat man den Rechnungsbetrag nicht angewiesen oder vergessen, es zu tun, muss man sich darauf einstellen, ihn noch zu entrichten.

„In jedem Fall allerdings sollte man sofort einen vollständigen Widerspruch an die Inkassofirma schicken“, sagt Hollweck, „und zwar sowohl gegen die Hauptforderung, als auch gegen die Gebühren, die die Inkassofirma beansprucht.“ Dies macht man am besten auf drei Wegen gleichzeitig: per Brief mit Einschreiben, Fax und E-Mail mit PDF-Anhang. So sei nahezu sicher, dass der Widerspruch auch ankomme. Außerdem erhöhe dies die Wahrscheinlichkeit, in einem etwaigen Prozess vor Gericht recht zu bekommen.

Nur registrierte Inkassounternehmen dürfen Forderungen überhaupt eintreiben

Die Taktik, einen kompletten Widerspruch auch gegen berechtigte Hauptforderungen einzulegen, begründet Anwalt Hollweck mit dem Geschäftsmodell der Inkassofirmen. Diese kauften die umstrittenen Forderungen etwa von Telekommunikationsunternehmen für 20 Prozent des Wertes auf. Zusätzlich kalkulierten sie mit einer Gewinnmarge von vielleicht 30 oder 40 Prozent, gemessen an der aufgekauften Forderung. Biete man den Unternehmen nach dem Widerspruch also einen Kuhhandel an, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese darauf eingingen, so Hollweck. Die Hälfte der Summe aus Hauptforderung, Zinsen und Gebühren sei eine gute Größenordnung.

Verfügt man allerdings über eindeutige Belege dafür, dass die Hauptforderung unberechtigt ist, weil man die Rechnung beglichen hat, muss man das Geld nicht noch einmal überweisen. In diesem Fall sollte man dem Widerspruch beispielsweise eine Kopie des Kontoauszugs beilegen. Auch die Gebührenrechnung des Inkassobüros kann man dann zurückweisen. Grundsätzlich gilt: Inkassofirmen dürfen keine höhere Gebühren in Rechnung stellen als Rechtsanwälte für eine vergleichbare Leistung. Trotzdem tun sie es oft.

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