Eine Brücke nach Nicaragua

NICARAGUA-VEREIN Seit 25 Jahren übt der Verein Solidarität mit der Bevölkerung Nicaraguas. Dabei hat er auch die Städtepartnerschaft Hamburg-Leon aus der Taufe gehoben

Der Verein hat sich umorientiert: weg von den Sandinisten, hin zu alternativen Organisationen

VON KNUT HENKEL

„Es hat sich nichts geändert. Wir brauchen nach wie vor Eure Unterstützung“, sagte Vilma Núñez vor zwei Wochen in der Werkstatt 3, „heute vielleicht noch mehr als vor 25 Jahren.“ Nicht zum ersten Mal war die Menschenrechtsaktivistin aus Nicaragua zu Besuch in Hamburg. Núñez ist so etwas wie eine Konstante zwischen Hamburg und Nicaragua und ein gern gesehener Gast des Nicaragua Vereins. Zu dessen 25. Jubiläum war sie angereist – um für 25 Jahre Unterstützung zu danken und über die aktuelle Situation in Managua und Hamburgs Partnerstadt León zu berichten.

Die ist wenig positiv, denn der einstige Hoffnungsträger der sandinistischen Revolution ist zum „Caudillo mutiert, der mit dem politischen Gegner paktiert“, so die gewichtige Präsidentin des Nicaraguanischen Zentrums für Menschenrechte. Für Núñez genauso enttäuschend wie für die Mitglieder des Nicaragua-Vereins. Zu denen gehört Mathias Schindler, der den Verein 1985 mitgründete. Doch die Geschichte beginnt noch früher, denn kurz vor Weihnachten 1983 landete die erste Arbeitsbrigade aus der Bundesrepublik in Managua. 150 Frauen und Männer wollten dabei helfen, das „Neue Nicaragua“ aufzubauen, erinnert sich Schindler. Darunter war mit Henning Scherf, dem damaligen Sozialsenator und späteren Bürgermeister Bremens, auch ein prominenter Kaffeepflücker. Primäre Aufgabe der Brigadisten war es nämlich, die roten Kaffeekirschen von den Bäumen zu holen, um die wichtigste Einnahmequelle der sandinistischen Revolution, eben die Kaffeeernte, zu sichern.

Der Enthusiasmus war groß und es war kein Zufall, dass eine ganze Reihe von Brigadisten aus Hamburg kamen. Mittelamerika-Solidarität wurde in der Hansestadt damals groß geschrieben. Ein gutes Beispiel ist der ehemalige Vereinsvorsitzende Schindler: Der war parallel im El Salvador Komitee tätig und einer der Verfasser der „Nicaragua Zeitung“. Die entstand mit einer Auflage von 5.000 Exemplaren, was beweist, dass es nicht nur eine Handvoll Hobbyrevolutionäre waren, die sich für die sandinistische Revolution interessierten. Professionellere Strukturen wurden nötig und im August 1986 wurde das eigene Büro in der Werkstatt 3 im Nernstweg bezogen. Das sorgte für einen gehörigen Aufschwung in der Solidaritätsarbeit.

Der verstärkte sich noch, als im Mai 1989 im Hamburger Rathaus die Städtepartnerschaft zwischen León und der Hansestadt offiziell und in Anwesenheit des Staatspräsidenten Daniel Ortega besiegelt wurde. Dadurch kamen erstmals auch Mittel zusammen, mit denen sich in León, der zweitgrößten Stadt Nicaraguas und zugleich Hochburg der Sandinisten, etwas gestalten ließ. Bei der Müllentsorgung sorgte Hamburger Know How und Geld genauso wie bei Trinkwasserversorgung für Fortschritte.

Beispiellos ist die Solidarität der Hamburger nach dem Hurrikan „Mitch“, der León und erhebliche Teile Nicaraguas 1998 verwüstete. Über den Nicaragua-Verein lief die Koordination der gesamten Nothilfe für die Partnerstadt. Insgesamt kamen rund 1,7 Millionen Mark für Neubauprojekte in und um León zusammen. Ein Riesen-Erfolg des Vereins, der sich in den letzten Jahren neu orientierte: „Weg von der sandinistischen Partei Daniel Ortegas, der FSLN, und hin zu alternativen Organisationen der Zivilgesellschaft“, erklärt der derzeitige Vorsitzende des Nicaragua-Vereins Alexander Laarmann. Ein schwieriger Prozess nach langen Jahren der intensiven Zusammenarbeit mit der Frente. Doch die Alternativen in León und darüber hinaus sind da, um auch nach 25 Jahren weiterzumachen. „Solidarisch mit der Bevölkerung“, wie es Vilma Núñez angeregt hat – und wie es seit eh und je Maxime des Vereins ist.