Enkes Erben

NORTHERN SOULIm Januar erscheint das dritte Album der Band Liga der gewöhnlichen Gentlemen. Mit tatkräftiger Unterstützung von Werner Enke, dem großen Anti-Helden von Songschreiber Carsten Friedrichs

We are Hamburg school: Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen, hier im Rare-Soul-Laden, verorten sich eher in britischer Musiktradition  Foto: Martin Morris

von Robert Matthies

Den streitbaren, nicht unumstrittenen Sozialwissenschaftler und radikalen Arbeitsmoral-Kritiker Wolfgang Pohrt kennt Werner Enke nicht: „Wahrscheinlich irgend so ein Schlafwissenschaftler“, mutmaßt der 74-jährige Schauspieler und Filmemacher in einem Youtube-Video, in dem er einen kurzen Text vorträgt. „Arbeit ist ein Sechsbuchstabenwort“ heißt der und dreht sich, unter anderem, ums morgendliche Umdrehen im Bett, noch mal und noch mal – obwohl man doch, gefälligst, arbeiten gehen soll. So fern liegt Enke mit dem Schlafwissenschaftler also auch wieder nicht.

Und auch sonst staunt man, wie gut sich Enke in den Text einfinden kann. Fast könnte man glauben, er selbst sei unter die Dichter gegangen – oder eine seiner immer irgendwie auch autobiografisch mit ihm verwobenen Filmfiguren. Aus tiefstem Herzen jedenfalls kommt offensichtlich die trockene Verachtung, mit der Enke das zur Debatte stehende Sechsbuchstabenwort buchstabiert. Als sei er immer noch der „dirty old man“ des „Swinging Schwabing“ der späten 1960er-Jahre; immer noch der Schlagertexte schreibende, Autoritäten verspottende und permanent coole Sprüche klopfende Taugenichts Martin, als der er im Film „Zur Sache, Schätzchen!“ seiner Lebensgefährtin May Spils zum großen Anti-Star des Neuen Deutschen Films wurde.

Tatsächlich aber stammt der Text aus der Feder von Carsten Friedrichs, seines Zeichens Sänger und Songschreiber der aus den Ruinen der Hamburger Northern-Soul- und Garagenrock-Instanz Superpunk vor drei Jahren auferstandenen Band Liga der gewöhnlichen Gentlemen. „Arbeit ist ein Sechsbuchstabenwort“, das ist die erste Single aus deren Mitte Januar erscheinendem dritten Album „Rüttel mal am Käfig, die Affen sollen was machen“.

Ein fröhlich in den ausschlafbedingt etwas später begonnenen Tag hinein groovender und dabei wunderbar zwischen Verachtung und Desinteresse schwankender Song über des Deutschen liebste Tätigkeit und die damit verbundene Moral ist das geworden – und eben damit eine kluge Hommage an Werner Enke.

Denn Enke, das ist einer von Friedrichs großen (Anti-)Helden, das Vorbild in Sachen Sprachwitz, Lakonik und selbstbewusstes Scheitern. Eine Zeit lang, gab er im vergangenen Jahr dem Ox-Fanzine zu Protokoll, habe er ein regelrechtes Enke-Tourette gehabt, immerzu Zitate aus dessen Filmen vor sich hingebrabbelt.

Mit „Kennst du Werner Enke?“ hat die Liga der gewöhnlichen Gentlemen dem prototypischen Gammler, Wortverdreher, Charmeur und Fummler bereits auf dem zweiten Album „Alle Ampeln auf Gelb“ ein liebevolles musikalisches Denkmal gesetzt. Damit haben sie schließlich auch Enke selbst als Fan gewonnen – bei einem Auftritt in Bremen saß der sogar selbst mit auf der Bühne, hinter dem improvisierten Schlagzeug.

Zum neuen Album steuert Enke nun folgerichtig nicht nur die Internet-Lesung zur Bewerbung der ersten Single bei, sondern ist für das Video dazu auch tief in sein eigenes Archiv gestiegen: Untermalt ist es mit lauter Szenen aus Enke-Filmen.

Der sympathische Taugenichts ist auch ohne Enke-Bezug Friedrichs großes Thema

Der sympathische Taugenichts und durchs Leben taumelnde Loser, der ist auch ohne Enke-Bezug Friedrichs großes Thema. Schon bei Superpunk war das so, deshalb kokettieren sie mit dem Dilletantismus, der sich auch musikalisch so angemessen in einer Kombination aus Wackligkeit und forscher Tanzbarkeit ausdrückt. Friedrichs Lieder: im Grunde genommen allesamt Hymnen für Verlierer, aber ironisch, humorvoll und ganz ohne Bitterkeit. Es sind Liebeslieder an jene, denen das Schicksal nicht so wohlgesonnen zu sein scheint wie den anderen, die im Rampenlicht stehen – und die ihm deshalb ihre ganz eigenen Schnippchen schlagen: „The Out-Crowd“, „Allein auf Parties“ und natürlich: „Das Unglück bin ich“. So heißen seine Songs.

Und, ganz Enkes Erbe, zeigt sich Friedrichs darin tatsächlich als Meister einer, man könnte sagen: aus urbaner Bauernschläue und Gosse zusammengebastelten Agitations-Poesie, die hierzulande selten zu hören ist.

Aber „hierzulande“ ist ohnehin nicht der richtige Bezugsrahmen, sondern die britische Musiktradition. Denn dort, sagt Friedrichs, verstehe man Humor und Ironie. „Hier geht das nicht und auch Grautöne werden nicht erkannt. Entweder Karneval oder bierernst. Da gibt es nur ganz wenige Ausnahmen von der Regel.“ Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen: eine Ausnahmeband.

Liga der gewöhnlichen Gentlemen: Mo, 28.12., 21 Uhr, Knust