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Schluss mit dem Gejaule

DEMOKRATIE UND GLOBALISIERUNG Fundiertes Wissen statt moralischer Kritik liefert „Vom Imperialismus zum Empire“. Ein gutes Begleitbuch zur Praxis der Globalisierungskritik

VON DETLEV CLAUSSEN

Dieses Buch kommt spät, sehr spät, aber es kommt noch rechtzeitig. „Vom Imperialismus zum Empire“ setzt eine Welt voraus, in der eine neoliberale Weltsicht alternativlos herrscht, aber das Desaster der Delegitimierung durch die Krise noch nicht erfahren hat. Alle Argumente dieses Bandes werden inzwischen durch die gesellschaftliche Wirklichkeit unterstrichen. Die Herausgeber Shalini Randeria und Andreas Eckert haben nicht einfach Tagungsbeiträge zusammengetragen und zwischen zwei Buchdeckel geklemmt. Nein, hier haben die Herausgeber wirklich ihren Namen verdient und auf dem internationalen Wissenschaftsmarkt Aufsätze ausgegraben, die man nicht so leicht findet, wenn man die Autoren nicht schon kennt.

Neue Sichtweisen

Andreas Eckert hat als Historiker des Kolonialismus seine Verdienste, und Shalini Randeria hat dem deutschen nationalgeschichtlich verengten Blick auf die Welt eine kosmopolitane soziologische Perspektive entgegengesetzt, die nicht mehr die alte paternalistische linke Sichtweise von Erster und Dritter Welt akzeptiert.

Gerade die Kombination von historischer Kenntnis und soziologischer Gegenwartsanalyse ermöglicht es, die Frage nach der Genese einer seit zwanzig Jahren scheinbar alternativlos globalisierten Welt zu stellen. In ihrer lesenswerten Einleitung formulieren Randeria und Eckert die gesellschaftlichen Widersprüche, ohne einfach nur die Schlagworte des Antiglobalisierungsdiskurses zu wiederholen. Es wird einem schnell klar, dass die alte Imperialismustheorie nicht mehr ausreicht, um eine Kritik der Gegenwart zu liefern. Shalini Randeria und Andreas Eckert versprechen nichts, aber sie liefern die Möglichkeit neuer Einsichten für eine demokratische Kritik der Gegenwartsgesellschaften. Randeria bringt es in ihrem Einzelbeitrag auf den Punkt: „Wir leben in paradoxen Zeiten. Gegenwärtig geht die erfolgreiche globale Ausbreitung der formalen Demokratie Hand in Hand mit der Aushöhlung ihrer formalen Substanz.“

Sie weiß dies am Beispiel Indien zu konkretisieren, was aber keineswegs nur für Indien gilt, sondern seit Guantánamo im Herzland des demokratischen Westens ebenso zu beobachten ist wie in der autoritären Putin-Demokratie.

Das Herzstück des Bandes besteht aus drei Studien von Teivo Teivainen, Ivan Krastev und Timothy Mitchell über das Wirken der Bretton-Woods-Institutionen IWF und Weltbank und ihrer konkreten Politiken, der Antikorruptions- und Entwicklungspolitik im Besonderen. Die internationalen Institutionen werden aber nicht in altlinker Manier verschwörungstheoretisch angeklagt, sondern es wird das widersprüchliche Potenzial eines Anspruchs auf internationale demokratische Kontrolle und einer neoliberalen ökonomischen Arkanpraxis aufgezeigt, die an einen desaströsen Endpunkt gelangt ist. Die alte ökonomische Weltordnung ist zwanzig Jahre nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus am Ende; die Notwendigkeit, nun auch den Westen bewusst zu verändern, wird überdeutlich.

Die Dritte Welt gibt es schon längst nicht mehr. China, Indien, Brasilien unterscheiden sich von Irak und Burkina Faso substanziell. Eine Kritik am internationalen ökonomischen Regime muss dem Rechnung tragen. Auch hier gebührt dem Band ein Verdienst, nämlich den Blick nicht nur auf die aufsteigenden Schwellenländer Südostasiens zu richten, sondern auf ein besonderes Objekt internationaler Rohstoffbegierden, das zur politischen Emanzipation unfähig erscheint: Afrika.

Ende der Dekolonisation

Am Exempel Afrikas wird Durch Frederick Cooper und Kevin C. Dunn der eurozentrischen Perspektive auch der linken Sozialwissenschaften endlich etwas an die Seite gestellt, das den neuen gesellschaftlichen Realitäten nach dem Ende der Dekolonisationsperiode entspricht.

Das Versagen der afrikanischen Eliten muss zum Gegenstand einer selbstkritischen Reflexion werden, ohne den Kolonialismus posthum entschulden zu wollen. Die Rolle der USA, die in Afrika einen Kolonialismus ohne Kolonien betrieben hat, steht ebenso zur Disposition wie das Wirken von NGOs, die sich zum Träger antietatistischer Ideologien und Praktiken machen.

Wer mehr wissen will über die Praxis der Globalisierung, die bisher nur Schlagwort geblieben ist, der greife zu diesem Suhrkamp-Bändchen, das in die Reihe der besten Editionsbücher gehört, die einst begleitende Handbücher politischer Praxis wurden: Herbert Marcuses „Kritik der repressiven Toleranz“ oder Jürgen Horlemanns und Peter Gängs „Vietnam. Genesis eines Konflikts“, um nur zwei längst vergessene Beispiele zu nennen. Randeria und Eckert liefern kritisch gesichtetes Material für eine Erkenntnis der Gegenwart, die dem Gejaule über die Schlechtigkeit der Welt endlich fundiertes Wissen entgegensetzt, das an der gesellschaftlichen Realität anknüpft, um sie zu verändern und nicht um ihr abstrakte Normen einer Antiglobalisierungsmoral entgegenzuhalten.

Shalini Randeria, Andreas Eckert (Hg.): „Vom Imperialismus zum Empire“. Frankfurt am Main 2009, 339 S., 14 Euro

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