Kein Phaeton mehr aus Dresden

Automobile VW lässt seine erfolglose Nobelmarke künftig nicht mehr in der Gläsernen Manufaktur in Sachsen montieren. Deren Zukunft ist ungewiss

DRESDEN taz | Volkswagen stellt die Produktion seines Luxusmodells Phaeton in der Gläsernen Manufaktur zu Dresden ein. Nächsten März ist Schluss. VW-Vorstandschef Herbert Diess reiste in der Vorwoche nach Dresden, um den 500 Beschäftigten diesen Schritt zu verkünden.

Mit dem Projekt „Phaeton“ wollte VW Ende der 1990er Jahre das Käfer-Image loswerden und den Luxusmarkt erobern. Schmücken wollte man sich dafür mit einem besonderen Ambiente, das das Nobelauto nicht nur mit der Aura der Kunst umgeben, sondern seine Produktion selbst zu einer Kulturtat erheben sollte. Dresden wurde ausersehen, und zwar ein Platz in der Innenstadt am Rande des Großen Gartens. Dagegen regte sich aus ökologischen, ästhetischen, stadtplanerischen und logistischen Gründen Widerstand. Eine Bürgerinitiative scheiterte allerdings damit, einen Bürgerentscheid über den Standort zu erzwingen. 2002 wurde die Manufaktur eröffnet, in der per Bahn und Straßenbahn gelieferte Fertigteile von Hand montiert wurden. Die vom Münchener Büro Gunter Henn entworfene Architektur erwarb sich aber bald Anerkennung, erfolgreich trat die Gläserne Manufaktur als Kultursponsor und Veranstaltungsort auf. VW unterstrich den Noblesse-Anspruch mit einer am Rande aufgelegten Phaeton-Kollektion mit Füllfederhaltern für 990 Euro oder Schlüsselanhänger für 149 Euro. Doch der Phae­ton verkaufte sich schlecht, obschon die komfortable, aber gesichtslose Limousine mit Preisen von „nur“ 66.500 Euro aufwärts lockte.

Für 20.000 Fahrzeuge jährlich und 800 Mitarbeiter war die Manufaktur ausgelegt, 2014 wurden jedoch nur 4.061 Autos montiert. Für den vermuteten weiteren Verkaufsrückgang 2015 gibt es nur das Indiz, dass im 100 Kilometer entfernten Zwickau gerade noch 2.900 Phaeton-Karosserien gefertigt wurden.

Der Standort Dresden soll aber mit 100 Mitarbeitern erhalten bleiben. Die verbleibenden 400 Fachkräfte müssen sich aufs Pendeln einrichten und werden auf andere Konzern­standorte verteilt. Welches „zukunftsfähige Produkt“, so Jens Rothe als Gesamtbetriebsratsvorsitzender von VW Sachsen, in den kommenden Jahren in Dresden montiert werden soll, steht noch nicht fest. Frühestens ab 2019 könnte nach Vorstellungen des Konzerns der Phaeton als Elektroauto eine Auferstehung erleben. Automobilprofessor Willi Dietz aus Geislingen erwartet tatsächlich eine verstärkte Nachfrage nach E-Autos auch in der Oberklasse. In den VW-Plänen sieht er wegen absehbar sinkender Batteriepreise und einer Reichweitenvergrößerung bis zu 500 Kilometer „durchaus die Chance für ein langfristige Sicherung des Automobil­standorts Dresden“. Hier geht es inzwischen nicht mehr nur um Autoproduktion, sondern auch um Kultursponsoring, mit dem VW durchaus geschickt Imagepflege betrieb. Martin Künanz, Sprecher der Dresdner Musikfestspiele, berichtet von einem beiderseitigen Wunsch nach Fortführung der Partnerschaft.

Michael Bartsch