Neue Chance für den Balkanluchs

Artenschutz Im mazedonischen Nationalpark Mavrovo leben zahlreiche geschützte und seltene Tier- und Pflanzenarten, die durch den Bau von Staudämmen gefährdet sind. Die Berner Konvention blockiert nun diese Projekte, auch ihre Finanzierung ist unsicher

Pinselohriger Verächter von Staudämmen und Straßen: der Balkanluchs Foto: Jörg Pukownik

von Beate Willms

BERLIN taz | Er hat lange Haarpinsel an den Ohren, einen ausgeprägten Backenbart, sechsmal lichtempfindlichere Augen als der Mensch – und jetzt wieder eine Chance, als Art zu überleben: Im November hat die Weltnaturschutzorganisation IUCN den Balkanluchs in die Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Arten aufgenommen. Und nun tut auch der Ständige Ausschuss der Berner Konvention sein Bestes, um das letzte Rückzugsgebiet des Lynx lynx balcanicus zu retten. Bei seinem jüngsten Treffen in Straßburg beschloss er, dass im Mavrovo-Nationalpark in Mazedonien vorläufig keine Wasserkraftwerke gebaut werden dürfen.

Die Berner Konvention ist ein völkerrechtlich bindender Vertrag des Europarates, mit dem wildlebende Tiere und Pflanzen geschützt werden sollen. Neben der Europäischen Union als Gemeinschaft haben ihn 42 europäische Staaten unterschrieben, auch Mazedonien.

Trotzdem plant der staatliche mazedonische Energiekonzern Elem in dem Nationalpark mit dem Segen der Regierung insgesamt 22 Staudämme unterschiedlichster Größen.

Dort leben neben der weltweit letzten Balkanluchs-Population, die mit 20 bis 30 Katzen groß genug ist, sich selbst zu erhalten, auch Bären und Wölfe. Insgesamt haben Forscher hier bislang mehr als 1.130 Tier- und mehr als 1.400 Pflanzenarten nachgewiesen – etliche davon kommen nur hier vor. Der Park ist wegen dieser hohen Biodiversität als Emerald-Gebiet nominiert und könnte damit den gleichen Schutzstatus erreichen wie Natura-2000-Gebiete in EU-Ländern.

Seit Jahren kämpfen mazedonische Umweltschützer deshalb gegen die Pläne zum Bau von Wasserkraftwerken, mit denen die Regierung offiziell die Energieversorgung der Bevölkerung verbessern will. Sie stören sich nicht nur an den Staudämmen selbst, die den Lauf der Flüsse und ihre Durchlässigkeit für viele Fischarten verändern werden, sondern auch an den Straßen, die für den Bau angelegt werden müssen und die Gebiete der größeren Säugetiere zerschneiden werden.

Die Berner Konvention fordert nun konkret eine sogenannte Strategische Umweltverträglichkeitsprüfung, die die kumulierten Auswirkungen sämtlicher Staudamm- und In­frastrukturprojekte im Mavrovo-Park untersucht. Dabei soll sie „besonderes Augenmerk“ auf den Balkanluchs legen.

Auch Mazedonien hat den Vertragstext der Berner Konven­tion unterschrieben

Das ist etwas weniger, als die Umweltverbände nach den Empfehlungen einer Delegation der Berner Konvention hoffen konnten, die im Sommer in Mazedonien war und für noch härtere Auflagen plädiert hatte. Neben der deutschen Stiftung Euronatur, die international tätig ist, und der deutsch-österreichischen Umweltorganisation Riverwatch hatte vor allem Luxemburg die mazedonischen Verbände in Straßburg unterstützt.

Die Regierung aus Skopje war allerdings mit einer großen Delegation – ohne ihren Umweltminister, dafür mit Vertretern des Energiekonzerns Elem angereist. Schon in ihren schriftlichen Einlassungen machte sie deutlich, dass sie nicht willens wäre, die Argumente und Berichte der Umweltschützer ernst zu nehmen. Die Experten der Berner Konvention hätten sich zu kurz im Lande aufgehalten und zudem die falschen Leute konsultiert, heißt es da. Rückendeckung bekam die Regierungsdelegation von Ländern, die ähnliche Projekte vorhaben – und das sind so ziemlich alle Balkanstaaten, allen voran Albanien.

Trotzdem hält EuroNatur-Geschäftsführer Gabriel Schwaderer es für möglich, dass die Staudammpläne keinen Bestand haben werden: Er gehe davon aus, dass die Strategische Umweltverträglichkeitsprüfung – wenn sie denn ernsthaft durchgeführt werde – zu keinem anderen Schluss kommen kann, „als die Projekte endgültig zu stoppen“. Der entscheidende Schritt hierzu könnte aus London kommen. Dort sitzt die Europäische Entwicklungsbank EBRD, die einen Großteil der Energieprojekte finanzieren will; das Wasserkraftwerk Boskov Most etwa soll mit 65 Millionen Euro unterstützt werden. In umweltzerstörende Projekte zu investieren widerspräche aber den Richtlinien der Förderbank. Auf taz-Anfrage erklärte sie nun, bislang sei noch kein Geld geflossen – und sie werde die Empfehlungen der Berner Konvention „voll umsetzen“.