NSU-Prozess

Zweieinhalb Jahre nach Prozessbeginn bricht die Hauptangeklagte ihr Schweigen. Sie lässt ihren Anwalt eine lange Erklärung verlesen und

„Missachtung der Opfer nicht einfach unterstellen“

Recht Angeklagte dürfen wählen, ob und wie sie antworten, sagt Strafrechtler Michael Rosenthal

Michael Rosenthal

Foto: privat

Der Strafverteidiger aus Karlsruhe ist Mitglied im Strafrechtsausschuss des Deutschen Anwaltsvereins.

taz: Herr Rosenthal, ist es zulässig, dass eine Angeklagte nur schriftlich aussagt?

Michael Rosenthal: Nein. Im Strafprozess gilt das Mündlichkeitsprinzip. Das Gericht darf – von klar geregelten Ausnahmen abgesehen – in seinem Urteil nur Inhalte verwerten, die für alle Verfahrensbeteiligte hörbar im Gerichtssal mündlich vorgetragen wurden. Deshalb wurde die von Zschäpe und ihren Anwälten vorbereitete Aussage im Prozess auch von Anwalt Grasel vorgelesen. Und am Ende muss die Angeklagte zumindest bestätigen, dass sie mit dem Vorgetragenen einverstanden ist, dass dies also als ihre Aussage betrachtet werden soll.

Muss die Angeklagte Fragen des Gerichts beantworten?

Nein. Als Angeklagte hat sie generell das Recht, zu schweigen. Eine Aussagepflicht haben nur Zeugen – soweit für sie kein Zeugnisverweigerungsrecht besteht, etwa weil sie mit dem Angeklagten verwandt sind. Ein Angeklagter kann sich auch lediglich teilweise auf sein Schweigerecht berufen, etwa indem er zwar eine Aussage macht, dann aber keine Fragen mehr beantwortet.

Kann die Angeklagte sagen, sie beantworte nur Fragen des Gerichts, nicht aber solche der Nebenklage?

Auch das kann sie. Das Gericht darf diese Differenzierung aber zu ihrem Nachteil werten. Weil es allerdings gute Gründe dafür geben kann, warum sie nur Fragen des Gerichts beantwortet, kann das Gericht nicht einfach unterstellen, dass Frau Zschäpe die Angehörigen und ihre Anwälte missachtet.

Interview Christian Rath