LeserInnenbriefe
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Recht heuchlerisch

betr.: „Wer finanziert die Rente?“, Leserbrief Chr. Haag,taz vom 7. 12. 15

Das Rentenargument fürs Kinder kriegen ist schon recht heuchlerisch. Niemand bekommt Kinder wegen des Solidarsystems, sondern aus dem ganz egoistischen Grund, sich selbst fortpflanzen zu wollen.

Kinderlose sind in einer anderen Steuerklasse und finanzieren so einiges mit für anderer Leute Kinder. Auch die Krankenversicherung, in der die Kinder anderer Leute kostenlos familienversichert sind, wird von Kinderlosen mitfinanziert. Wenn Kinder anderer Leute drogenabhängig werden und nie arbeiten können, werden sie von der Gesellschaft unterstützt – auch von Leuten die keine eigenen Kinder haben. Dass Leute, die keine eigenen Kinder haben, keine Familinarbeit leisten, ist ebenfalls falsch. Sie kümmern sich um ihre gebrechlichen Eltern, sie kümmern sich eventuell um ihre Nichten und Neffen etc.

Das Solidarsystem ist auch nicht in Stein gemeißelt, es muss den Realitäten ab und zu angepasst werden, ob eine Gesellschaft nun viele oder weniger Kinder hervorbringt.

MANUELA KUNKEL, Stuttgart

Fakten sprechen andere Sprache

betr.: „Größter Klimasünder China“, taz vom 2. 12. 15

Seit Beginn der Klimadebatten hält sich hartnäckig die Gepflogenheit, China als größten Klimasünder zu bezeichnen. Auch in seriösen Artikeln und Vorträgen wird diese ungerechtfertigte Verurteilung kontinuierlich wiederholt. Dabei gibt es für diese Unterstellung keinerlei logische Grundlage. Die Fakten sprechen eine ganz andere Sprache, nämlich dass China in etwa so viele Treibhausgase emittiert wie die EU, obwohl in China mehr als doppelt so viele Menschen leben. Da sollte man doch mal die Kirche im Dorf lassen beziehungsweise den Tempel im Wäldchen. Die großen Klimasünder sind WIR. Deutschland liegt im Pro-Kopf-Verbrauch weit vor China. Und das, obwohl wir unsere Produktion dorthin ausgelagert haben.

SUSANNE JORDAN, Bad Tölz

Wenig Vernunft drin

betr.: „Vom Ich zum Wir“, taz vom 1. 12. 15

Ich bin nicht der Meinung, dass erst das aufgeklärte Ich und die vom religiösen Diktum „Macht euch die Erde untertan“ ausgelöste industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts die Ausbeutung der Natur ausgelöst haben, sondern dass bereits die Erfindung des Menschen und dessen Erfindungen von Werkzeugen und Waffen die Zerstörung der Natur ins Werk setzten. Lange Zeit konnte man noch glauben, dass die am 31. Dezember verbrauchten organischen Ressourcen am 1. Januar schon wieder zur Verfügung standen. Heute sind sie etwa Mitte August, Anfang September verbraucht, der Rest ist Raubbau. Und das ökonomische Paradigma, dem die Welt folgt und das das Postulat des Wachstums um jeden Preis beinhaltet, trägt durch den Zwang, mit allen medialen Mitteln den gläsernen Bürger zu verführen, zur Beschleunigung der irreversiblen Verschleuderung aller Ressourcen bei. Diesen Prozess hätte der auch von mir verehrte Herr Scheer nicht aufgehalten, wenn Frau Ypsilanti Ministerpräsidentin von Hessen geworden wäre.

Ja, was tun? Herrn Sloterdijks Vision einer grünen Wirtschaft, in der die Wirtschaft verkauft, was nachgefragt wird, verrät eigentlich nur, dass auch er den Begriff der Nachhaltigkeit nicht verstanden hat.

Zum Schluss gerät dem Philosophen die furchtbare Finalität seines Themas vollends aus dem Blick, wenn er zur Beförderung der fraternité eine Ausweitung des Internatswesens vorschlägt – als hätte er noch nie von den Egoistenschmieden Public Schools oder vom Zögling Törless oder von der Odenwaldschule gehört. Da ist wenig Vernunft drin.

Übrigens: Die Genesis gehört nicht zum Evangelium.

HANS HOCHREUTER,

Wuppertal

Da darf gelacht werden

betr.: „Vom Ich zum Wir“, taz vom 1. 12. 15

In welcher Welt lebt Sloterdijk eigentlich heute, dass er „diabolischen Auffassungen der ewigen Linken von der Wirtschaft“ irgendeine Bedeutung beimessen zu müssen glaubt? Eher ist ja das Gegenteil, nämlich eine götter- oder götzenähnliche Auffassung von ihr das Problem! Ihre quasireligiöse Tabuisierung – alljährlich stimmungsvoll zelebriert von den „Wirtschaftsweisen aus dem Abendland“ – versucht, sie einem nüchternen Blick zu entrücken.

Dabei genügte ein schlichter Vergleich der hohen Verlässlichkeitskriterien und Sicherheitsstandards etwa im Bauingenieurswesen, in Medizin/Pharmakologie oder Verkehrstechnik mit den desaströs windigen in der Banken- und Börsenwelt und dem „Arbeitsmarkt“. Rätselhaft ist, dass das stets noch hingenommen wird, und bedauerlich, dass hier der Interviewer Unfried so friedlich bleibt und nicht mal nachhakt. – Das hätte ich mir gleichfalls gewünscht bei Sloterdijks Lobpreis des grünen Ministerpräsidenten Kretschmann, aus dessen Baden-Württemberg nach wie vor und in unabsehbare Zukunft hinein die dicksten Benzin-SUV-Schleudern von Daimler und Porsche kommen (weil laut Sloterdijk „es die Verbraucher so wünschen“. Da darf mal kurz gelacht werden). HERMANN MUNTSCHICK-TROE, Göttingen