Beschränkter Einkauf mit der Chipkarte

Nur in Reinickendorf und Spandau gibt es noch immer die Chipkarte für Flüchtlinge. Deshalb können sie nur mit der Karte einkaufen statt mit Bargeld. CDU und FDP finden das gut. Ein typischer Fall von Diskriminierung, meinen Flüchtlingsvertreter

von Jörg Meyer

Bereits im Sommer des Jahres 2003 hatte die Berliner Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei.PDS) die Abschaffung der 1998 von der CDU eingeführten Chipkarten und die Rückkehr zur Auszahlung von Bargeld für Flüchtlinge in Landesobhut angeordnet. Die Bezirke konnten selber über die Umstellung entscheiden. Beinahe alle folgten dem Senat und zahlen seit langem wieder Bargeld aus. Nur in Reinickendorf und Spandau, wo es eine CDU beziehungsweise CDU/FDP-Mehrheit in den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) gibt, wird die Karte nach wie vor an Flüchtlinge ausgegeben.

Arndt Meißner (CDU), BVV-Abgeordneter in Spandau, sagte letzte Woche am Rande einer Diskussionsveranstaltung, dass seine Fraktion die Chipkarte verteidige, weil sie ein wirksames Instrument gegen Missbrauch sei, „damit nicht irgendwann jemand sagt: Jetzt alle raus“. So wolle man auch dem Stigma, das AsylbewerberInnen anhaftet, entgegenwirken. Zudem könne man mit der Vergabe von Sachleistungen statt Bargeld verhindern, dass Flüchtlingen das Geld von „Schlepperbanden“ wieder abgenommen werde, oder dass die Väter von Flüchtlingsfamilien es in die Kneipe trügen.

Meissner und sein BVV-Kollege Kai Gersch (FDP) argumentieren streng nach Gesetzeslage. Dass weniger als drei Prozent der AsylbewerberInnen von den Gerichten anerkannt würden, sei schließlich ein Beweis dafür, dass viele „unberechtigt“ nach Deutschland kämen.

Die „Initiative gegen das Chipkartensystem“ sieht das anders. Sie fordert seit Jahren die Abschaffung der Karten. Seit dem Jahr 2001 organisiert sie, dass Chipkarten von PatInnen übernommen werden und den Flüchtlingen das Geld ausgezahlt wird. Die Initiative hält der CDU und FDP entgegen, dass die Anerkennungsquote viel höher wäre, wenn Asylsuchende einen Anwalt für das Verfahren hätten. Dazu fehle vielen das Geld.

Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten AsylbewerberInnen im laufenden Asylverfahren und „geduldete“ Flüchtlinge Sachleistungen statt Bargeld. Mit der Chipkarte können sie Lebensmittel, Körperpflegeartikel und Haushaltsgegenstände einkaufen. In ganz Berlin gibt es nach Angaben der Chipkarten-Initiative nur 24 so genannte Akzeptanzstellen. Was die Flüchtlinge dort einkaufen können, liegt im Ermessen der Kassiererinnen in diesen Läden. Von den 41 Euro „Taschengeld“ im Monat müssen sie auch die Fahrtkosten zahlen, um zu diesen Läden zu gelangen.

Wegen der einseitigen Vergabe an ausschließlich Nichtdeutsche bezeichnet die Chipkarten-Initiative das System als rassistische Diskriminierung. Die Initiative kritisiert, dass die Chipkarte eine Bevormundung der AsylbewerberInnen darstelle, da sie nicht selbst über ihre täglichen Bedürfnisse entscheiden können. Weitere Kritikpunkte seien „die Stigmatisierung an den Ladenkassen und das vermittelte Misstrauen“, da den Flüchtlingen prinzipiell unterstellt werde, sie seien bloß zum Bezug von Sozialleistungen nach Deutschland gekommen.

Das System sei auf eine Ausgrenzung von AsylbewerberInnen angelegt, meint auch Georg Classen vom Flüchtlingsrat Berlin. „Zwar zahlen über neunzig Prozent aller Kommunen in Deutschland Bargeld aus, einen Rechtsanspruch darauf haben Flüchtlinge jedoch nicht.“

VertreterInnen des Migrations- und Integrationsbeirates, der Chipkarten-Initiative und der anderen BVV-Fraktionen setzen sich in Spandau für die Abschaffung der Karte ein. Angelika Höhne (Grüne) kritisiert die CDU scharf: „Wenn man schon mit Gesetzen argumentiert, dann muss man die auch kennen.“ Es gehe nicht an, sagt sie, das Meissner von einer „Generalprävention Missbrauch“ spräche, da in Deutschland noch immer die Unschuldsvermutung gelte.

Die Chipkarten-Initiative sucht weiter PatInnen für die noch rund 70 betroffenen Flüchtlinge.