Spekulation mit Immobilien in Berlin: Kreuzberger Häuserkampf
Erstmals macht Berlin-Kreuzberg vom Vorkaufsrecht Gebrauch. Ein Allheilmittel gegen Immobilienspekulation sei das aber nicht, warnen die Grünen.
Spekulanten aufgepasst, wir können auch anders: So soll das Signal lauten, das vom Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ausgeht. Am Dienstag meldete das Bezirksamt, dass man den Verkauf eines Altbaus in der Wrangelstraße 66 gestoppt habe.
„Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg übt sein Vorkaufsrecht für das Haus Wrangelstraße 66 aus“, erklärte dazu Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne). Doch taugt dieses Vorkaufsrecht tatsächlich, um Spekulanten künftig das Leben zu erschweren?
Jens-Holger Kirchner ist sich da nicht so sicher. Der grüne Baustadtrat von Pankow ist gerade erst mit einem ähnlichen Vorhaben gescheitert. In der Kollwitzstraße 2 wollte der Eigentümer einen Altbau teuer verkaufen, sodass das Bezirksamt fürchtete, dass die Mieterinnen und Mieter verdrängt werden sollen.
„Wir haben dem Eigentümer mitgeteilt, dass wir das Vorkaufsrecht wahrnehmen wollen“, so Kirchner zur taz. „Allerdings hat die Genossenschaft, mit der wir Verhandlungen über den Kauf aufgenommen haben, abgewunken. Denen war der Kaufpreis zu hoch.“
Acht Wochen Frist
Das Beispiel aus der Kollwitzstraße in Prenzlauer Berg verdeutlicht, dass das Vorkaufsrecht kein Allheilmittel ist, wie Kirchner einräumt. Will ein Eigentümer in einem sogenannten Milieuschutzgebiet sein Gebäude verkaufen, braucht er zwar die Zustimmung des Bezirks. Der kann diese verweigern, wenn Verdrängung droht. Allerdings muss in einem solchen Fall innerhalb von acht Wochen ein anderer Interessent gefunden werden.
„Weil wir selber kein Geld haben, um Häuser zu kaufen, können wir nur versuchen, das Vorkaufsrecht zugunsten Dritter auszuüben“, erklärt Kirchner. Das sind entweder Genossenschaften oder Wohnungsbaugesellschaften, die mit dem Kauf wiederum ihre eigenen Bestände aufstocken. Genau so, wie es das Land Berlin von ihnen verlangt.
Im Fall der Wrangelstraße 66 war es die Gewobag, die zusammen mit einer Stiftung eingesprungen ist. Oft aber scheitert ein solches Vorgehen, weil die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften angehalten sind, wirtschaftlich zu arbeiten. „In der Kollwitzstraße hat der Eigentümer einen Kaufpreis verlangt, der spekulativ war“, sagt Kirchner. Eine Alternative aber gab es nicht. Denn in der Kürze der Zeit ist es für die Bezirke kaum möglich, ein Verkehrswertgutachten erstellen zu lassen. „Wir können im Grunde das Vorkaufsrecht nur zu jenem Preis ausüben, den der Eigentümer verlangt“, so der grüne Baustadtrat von Pankow.
Senat unterstützt
Etwas anders gelagert war der Fall in der Großgörschenstraße in Schöneberg. Dort hatte der Bezirk bereits ein Verkehrswertgutachten in der Schublade, als er den Verkauf von vier Häusern durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) an einen Investor verhinderte. „Wir haben das Vorkaufsrecht auf der Grundlage des Verkehrswerts in Anspruch genommen“, sagt Sibyll Klotz, die grüne Baustadträtin von Tempelhof-Schöneberg. Anders als die 7,8 Millionen Euro, die die Bima verlangt hat, wären die 6,3 Millionen, die der Bezirk als Wert errechnete, für die Gewobag als Interessent durchaus zu stemmen.
Nachdem die Bima gegen das Vorverkaufsrecht Klage eingereicht hat, müssen nun die Gerichte entscheiden. Immerhin gibt es Unterstützung durch den Finanzsenator. Dessen Verwaltung hat das Verfahren inzwischen an sich gezogen, sodass der Bezirk nicht auf den Anwaltskosten sitzen bleibt.
Auch in Kreuzberg könnte der Fall vor Gericht landen. Eine Kompromissvariante aber hat das Baugesetz vorgesehen. Wenn sich der neue Eigentümer gegenüber dem Bezirk mit einer sogenannten Abwendungsvereinbarung verpflichtet, soziale Standards einzuhalten, hat er das Vorkaufsrecht abgewendet. Die Drohung hat dann ihre Wirkung nicht verfehlt.
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