Ab jetzt „fair“ zu China

ÜBERNAHME Der chinesische Internet-händler Alibaba kauft Hongkongs einzig verbliebene englischsprachige Zeitung: die „South China Morning Post“. Was wird nun aus deren Unabhängigkeit?

Die „South China Morning Post“ war bislang ein Ausdruck der Hongkonger Freiheit Foto: Kin Cheung/ap

von Felix Lee

Zumindest am Montag war der South China Morning Post ihr neuer Eigentümer noch nicht anzumerken. Wie gewohnt berichtete die renommierte Hongkonger Zeitung über den Auftakt des Prozesses gegen Chinas prominentesten Menschenrechtsanwalt Pu Zhiqiang (siehe Portrait Seite 2). Die chinesischen Staatsmedien berichten überhaupt nicht darüber. Auch wie gewohnt. Und doch ist etwas anders: Denn seit bekannt ist, dass der chinesische Internetgigant Alibaba für umgerechnet rund 242 Millionen Euro das wirtschaftlich zuletzt arg angeschlagene Traditionsblatt übernimmt, ist die Sorge groß, das auch die 112 Jahre alte South China Morning Post aus der teil­auto­no­men Sonderverwaltungszone Hongkong ihre Unabhängigkeit bald einbüßen könnte. Der neue Eigentümer des Blattes zeigte sich bisher jedenfalls alles andere als kritisch gegenüber der mächtigen chinesischen Führung.

Dabei galt und gilt die englischsprachige Zeitung der ehemaligen britischen Kronkolonie als kritisches „Fenster zu China“. Im Gegensatz zu den staatlich kontrollierten Zeitungen auf dem chinesischen Festland hat die South China Morning Post auch Themen aufgegriffen, die sich kritisch mit der chinesischen Führung auseinandersetzten. Vor allem für China-interessierte Ausländer ist sie bis heute eine der wichtigsten Quellen.

Und nun kommt Alibaba. Der chinesische Internetgigant ist zwar ein privat geführtes Unternehmen, doch wer mit seinem Onlineangebot in der Volksrepublik über so große Marktanteile verfügt, muss mit der chinesischen Führung nicht nur kooperieren, sondern sollte sich mit ihr gut stellen – und sich auf keinen Fall mit kritischen Äußerungen unbeliebt machen. So sieht es Alibaba-Gründer und Großanteilseigner Jack Ma. Der ansonsten recht meinungsfreudige Milliardär hält sich bei politisch relevanten Fragen zurück. Nur einmal äußerte er sich öffentlich zur Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Tiananmenplatz 1989. Er bezeichnete sie als „die korrekteste Entscheidung“.

Mit der Übernahme der South China Morning Post, zu der auch Magazine, Werbeflächen und eine Reihe von Portalen in der südchinesischen Sonderverwaltungszone gehören, folgt Alibaba seinem US-Konkurrenten Amazon. 2013 hatte Amazon-Chef Jeff Bezos mit 250 Millionen Dollar aus seinem Privatvermögen die Washington Post übernommen und damit ebenfalls die Frage aufgeworfen, ob nach der Übernahme durch einen branchenfremden Konzern die redaktionelle Unabhängigkeit wirklich noch gewahrt werden könne. Doch während im Fall Amazon vor allem unternehmerische Interessen befürchtet wurden und werden, wird bei Alibaba um die politische Unabhängigkeit des Blatts gebangt. Der Verkauf kommt zu einer Zeit, in der ohnehin viele Hongkonger um ihre Freiheiten fürchten. Hongkong gehört seit 1997 zu China. Aber anders als in der autoritär geführten Volksrepublik werden den Bürgern in der Sonderverwaltungszone zumindest nach offizieller Lesart weiter Meinungs- und Pressefreiheit zugesichert. Doch Peking will diese Rechte aushöhlen. Der Streit über eine Wahlrechtsreform bei der Bestimmung des Hongkonger Stadtoberhaupts hatte vergangenes Jahr Hunderttausende auf die Straße getrieben.

„Die korrekteste Entscheidung“

Alibaba-Gründer Jack Ma über die Niederschlagung der Proteste auf dem Tiananmenplatz 1989

Einen ersten Vorgeschmack darauf, wie die neue Blattlinie künftig aussehen könnte, hat der neue Eigentümer auch schon geliefert. Zwar beteuerte Joseph Tsai, Vizechef von Alibaba, bei der Verkündung der Übernahme, die redaktionelle Unabhängigkeit der South China Morning Post nicht antasten zu wollen. Er kritisierte aber auch „westliche Medien“ dafür, „China durch eine allzu besondere Brille zu sehen“. Er wolle künftig auf eine „ausgewogene und faire Berichterstattung über China“ achten.

Aus der Hongkonger Post-Belegschaft war zu hören, dass diese Worte „nicht besonders ermutigend“ seien.