Mit morgendlichem Weckruf

Chance Rund 1,3 Millionen Menschen zwischen 20 und 30 haben keinen Berufsabschluss. Die „Assistierte Ausbildung“ hilft ihnen, sich in der Berufsausbildung zu bewähren, indem sie individuell unterstützt werden

Beim Wecken müssen die Sozialpädagogen manchmal helfen Foto: Ann Cutting/Getty

Von Heide Reinhäckel

Generation Y: leistungsorientiert, selbstbewusst, mit Spaß an der Arbeit. So lautet das Narrativ der zwischen 1980 und 1997 Geborenen. Für Daniel traf das nicht zu. Der Jugendliche beendete vor rund zehn Jahren die Hauptschule und brach dann zwei Ausbildungen ab. Die Motivation fehlte. Dann fing er eine überbetriebliche Tischlerausbildung beim freien Jugendhilfeträger Zukunftsbau in Berlin an. „Da habe ich die Kurve bekommen, da gab es Runden, wo alles besprochen wurde.“ Anschließend holte er auf der Abendschule erst die Realschule, später das Fachabitur nach und studierte Bauingenieur – den Beruf, den er heute ausübt.

Nicht alle Jugendlichen mit Übergangsproblemen in Ausbildung und Beruf schaffen es wie Daniel. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft Köln haben 1,3 Millionen Menschen zwischen 20 und 30 keinen Berufsabschluss – rund jeder achte unter 30 Jahren. Sie zählen damit zu den sogenannten Bildungsverlierern, denn wer keine Ausbildung hat, bekommt in der Regel auch keinen Job. „Zu den Bildungsverlierern zählen unter anderem migrantische Jugendliche, die am Übergang von Schule in Ausbildung und Beruf scheitern“, weiß Tilly Lex vom Deutschen Jugendinstitut in München. „Eine weitere tendenziell zunehmende Risikogruppe sind Schülerinnen und Schüler mit psychosozialen Belastungen und gesundheitlichen Problemen“, so die Soziologin, die zu Bildungsverläufen von Jugendlichen forscht.

Auch Jugendliche aus sogenannten bildungsfernen Familien, ohne Schulabschluss, nur mit Hauptschulabschluss und alleinerziehende junge Frauen gehören zu der Gruppe, die am Eintritt in Ausbildung und Beruf scheitert. So gelingt es nur rund der Hälfte aller Hauptschulabgänger, einen dualen Ausbildungsplatz zu erhalten. „Generell sollte die sensible Phase des Übergangs von Schule in Ausbildung und Beruf längerfristig begleitet werden“, wünscht sich Tilly. „Auch sind Institutionen wichtig, die mit Erfahrungen des Scheiterns wie Ausbildungsabbrüche umgehen helfen.“

Diese Begleitung und Unterstützung ist die tägliche Arbeitspraxis von Andreas Diezmann bei der Zukunftsbau GmbH in Berlin. Dort können Jugendliche extern ihren Schulabschluss machen oder eine überbetriebliche Ausbildung beginnen. Er kennt die sogenannten Bildungsverlierer in Berlin-Wedding. „Vielen Jugendlichen müssen im Bereich der Berufsorientierung erst einmal kennenlernen, was für zahlreiche Berufsausbildungen es gibt“, so Diezmann. „Viele sind nicht mit Arbeitszusammenhängen vertraut, und es fehlen die Sozialkompetenzen, um sie in eine normale Ausbildung zu bringen.“

Wie kann die von den Betrieben oft vermisste Ausbildungsreife nachgeholt werden? Viele Jugendliche durchlaufen in der Wartezeit auf einen Ausbildungsplatz oft verschiedene berufsvorbereitende Maßnahmen des sogenannten Übergangssystems. Die Effekte dieser Maßnahmen sind jedoch umstritten. Als eine neue Antwort auf das Problem der leistungsschwachen Ausbildungsbewerber hat sich in den letzten Jahren die „Assistierte Ausbildung“ erwiesen. Das zuvor in Modellversuchen erprobte Konzept ist seit diesem Jahr im SGB III verankert und damit ein bundesweites Instrument der Ausbildungsförderung der Bundesagentur für Arbeit.

Es gibt keinen Ersatz für eine gute schulische und berufliche Ausbildung

Bei der Assistierten Ausbildung steht sowohl dem Jugendlichen als auch dem Ausbildungsbetrieb ein Bildungsanbieter zur Seite, der beide begleitet. „Das Besondere an der Assistierten Ausbildung ist, dass es sich um eine normale, reguläre Ausbildung handelt, die mit individualisierten und dienstleistungsorientierten Unterstützungsleistungen flankiert wird“, erklärt Frank Neises vom Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn. Bei dieser Art der Ausbildung orientiere sich die Unterstützung nicht mehr nur an den Problemen der Jugendlichen, sondern auch an den Bedürfnissen der Betriebe.

„Im Mittelpunkt steht die Passgenauigkeit von Auszubildendem und Betrieb, auch um Ausbildungsabbrüchen vorzubeugen. Die Begleitung und Förderung der Auszubildenden bei Problemen wird dabei in Absprache mit dem Betrieb in den Ablauf der Ausbildung eingebettet“, so Neiss. Dass heißt konkret, dass der Sozialpädagoge schon einmal zum Mobiltelefon für den morgendlichen Weckruf greift, damit der Jugendliche pünktlich im Betrieb erscheint, oder mit dem Betrieb Eskalationsstufen bei Problemen und Schwierigkeiten ausgemacht werden.

Denn das oberste Ziel ist ein Berufsabschluss: „Es gibt keinen Ersatz für eine gute schulische und berufliche Ausbildung – das bleibt ein lebenslanges Hemmnis“, so Diezmann vom Berliner Zukunftsbau.