Tod im Abschiebeknast

Von HENK RAIJER

Ein Feuer im Abschiebeknast des Amsterdamer Flughafens Schiphol hat elf Insassen das Leben gekostet, 15 weitere Menschen wurden verletzt. Aus bisher ungeklärter Ursache brach am Donnerstagmorgen kurz nach Mitternacht in einem Gebäudeteil, in dem 43 Häftlinge untergebracht waren, Feuer aus. Dabei brannte ein Drittel der Zellen aus.

Nach etwa drei Stunden hatte die Feuerwehr den Brand unter Kontrolle. Zum Zeitpunkt des Feuers saßen nach Angaben der Polizei des Bezirks Haarlemmermeer, zu dem Schiphol gehört, 350 Personen ein, darunter überführte Drogenkuriere, abgelehnte Asylbewerber und Menschen, denen die Einreise verweigert wurde und die abgeschoben werden sollen.

Laut einem Häftling, der unverletzt geblieben war, brach der Brand in einer Zelle aus, in der zwei Frauen eingeschlossen waren. Anschließend habe das Feuer auf andere Zellen übergegriffen. Nicht alle Eingeschlossenen konnten rechtzeitig befreit werden, und 11 von ihnen verbrannten in den Flammen oder erstickten. Der Abschiebehäftling, dessen Name nicht mitgeteilt wurde, erhob schwere Vorwürfe gegen die Gefängniswächter. Sie hätten den Alarm nicht ernst genommen und erst, als es für einige schon zu spät war, mit dem Öffnen der Zellentüren begonnen.

„Als wir den Rauchgeruch meldeten, wollten uns die Wächter zunächst nicht glauben“, empörte sich der Mann im niederländischen Rundfunk. „Wir kamen nicht raus, wir schrien uns die Kehlen heiser“, erzählte er. Einige Insassen seien in Panik geraten. Ein Wächter sagte, man habe nach dem Alarm nicht alle Zellentüren gleichzeitig elektronisch öffnen können und jede einzelne Tür per Hand entriegeln müssen.

Bart Kroon, Sprecher des Justizministeriums, erklärte, die Polizei gehe dem Vorwurf ernster Versäumnisse nach. Er betonte allerdings, man habe ganz bewusst die manuelle Öffnung gewählt, weil nach einem möglichen Kurzschluss elektronisch verriegelte Türen überhaupt nicht aufzukriegen seien. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen Ermittlungen aufgenommen. Michel Bezuijen, der Bürgermeister von Haarlemmermeer, kündigte eine unabhängige Untersuchung an. Justizminister Piet Hein Donner bescheinigte bei seinem Besuch Gefängnisleitung und Feuerwehr, sie hätten „adäquat“ gehandelt. Einige Parlamentarier kritisierten Donner wegen dieser voreiligen Schlussfolgerungen und forderten eine schnelle Ursachenklärung, Hollands Grüne für den gestrigen Abend eine Eildebatte im Parlament.

Es ist nicht das erste Mal, dass in dem Gefängniskomplex Feuer ausbricht. Im November 2002, unmittelbar vor Ingebrauchnahme des Gebäudes, das vor allem wegen der Zunahme der Zahl von Drogenschmugglern in aller Eile aus Fertigteilen errichtet worden war, geriet ein Zellentrakt in Brand. Ursache war die Überhitzung eines elektrischen Heizgeräts. Ein Jahr später steckte sich ein Insasse in Brand. Laut Justizsprecher Kroon entsprach das Gefängnis zum Zeitpunkt des Brands den Sicherheitsvorschriften. „Nach dem ersten Brand haben wir hunderttausende Euro investiert, um die Gebäude sicher zu machen.“

Insgesamt 150 Insassen wurden im Laufe des Tages in Gefängnisse nach Zeist und Rotterdam verbracht. Ein knappes dutzend Häftlinge hatte Panik und Verwirrung zur Unglückszeit genutzt, um sich aus dem Staub zu machen. Bis gestern Mittag hatte die Polizei drei wieder gefasst, acht wurden noch vermisst. Nach ihnen wurde unter Einsatz von Hubschraubern gefahndet.

Während die Identität der Opfer noch ungeklärt ist, sprach Integrationsministerin Rita Verdonk den Angehörigen der Toten ihr Mitgefühl aus. Das Geschehene sei für alle Betroffenen „entsetzlich“. Premier Jan Peter Balkenende erklärte, er sei „erschrocken über das Ausmaß dieser Katastrophe“.