Venezuela

Schwere Schlappe für die Linke: Die konservative Opposition siegt bei den Parlamentswahlen. War’s das für Präsident Nicolás Maduro?

Sieht die Konterrevolution: Nicolás Maduro Foto: Foto:Miraflores Press/dpa

Die Quittung für den Mangelstaat

Wahlen Die Rechte triumphiert in Venezuela – Ergebnis einer Politik, die die Not zum Alltag werden ließ

Von Jürgen Vogt

BUENOS AIRES taz | Präsident Nicolás Maduro sieht Venezuela von Feinden umzingelt. Nicht die Opposition habe die Wahlen gewonnen, sondern die vor der Tür stehende Konterrevolution. „Eine Konterrevolution hat uns ihren Krieg aufgezwungen und hat nun die Mehrheit in der Nationalversammlung“, sagte Maduro. Seine Rivalen hätten sich verschworen, um seine sozialistische Revolution zu destabilisieren. „Heute hat der Wirtschaftskrieg triumphiert, eine Strategie um das gemeinsame Vertrauen zu schwächen“, sagte der Präsident.

Tatsächlich hat Venezuelas Opposition einen überragenden Sieg bei der Wahl zur Nationalversammlung eingefahren. Mindestens 99 der 167 Sitze gehen an das aus Konservativen und Sozialdemokraten bestehende Bündnis MUD. Das linke, chavistische Regierungsbündnis GPP kam nach ersten Auszählungen auf etwa 46 Sitze und verliert damit erstmals seit der Einrichtung des Ein-Kammer-Parlaments im Jahr 2000 seine Mehrheit. Wer die noch ausstehenden 19 Mandate erhält, war am Montag offen.

Die Wahlbeteiligung lag mit knapp 75 Prozent relativ hoch, ein Zeichen dafür, dass auch ein guter Teil der linken Basis ihren Chefs das Kreuz versagt hat. Deshalb wird das Ergebnis als Strafvotum gegen die Regierung Maduro und weniger als ein Ja für die Opposition gewertet.

Ob und wie schnell diese Opposition das Steuer in der neuen Nationalversammlung herumreißen kann, ist offen. Dass die Lage für viele Venezulaner verzweifelt ist, lässt sich an Zahlen ablesen. Die Wirtschaft schrumpft 2015 um sieben Prozent, die Inflationsrate geht auf die 200 Prozent zu. Der Dollar kostet auf den Schwarzmarkt 920 Bolívares während der staatliche Kurs noch immer auf 6,30 fixiert ist. Zur Abhängigkeit vom Ölexport ist die Abhängigkeit von Importen bei Lebensmitteln, Medikamenten und Ersatzteilen hinzugekommen. Es fehlt selbst am Benzin, dass mangels Investitionen in die Raffinerien des Ölstaates mit den weltweit größten Reserven zur Mangelware geworden ist. Seit dem Verfall des Ölpreises von knapp 90 US-Dollar pro Fass im Vorjahr auf jetzt gut 46 Dollar hat sich die ohnehin prekäre Versorgungslage wegen der ausbleibenden Deviseneinnahmen für den Import weiter verschlechtert.

Lange Zeit konnte die Regierung die eigene Klientel mit der Schuldzuweisung an die parasitäre Bourgeoisie und ihren Wirtschaftskrieg gegen die sozialistische Revolution bei der Stange halten. Doch seit zuletzt nur noch der neue Berufsstand der Bachaquero, dieser Schlangesteher im Mangelstaat, Vollbeschäftigung versprach, verloren auch die eigenen GenossInnen zunehmend den Glauben daran, mussten sie doch erkennen, dass die Not keineswegs nur aufgrund des Hortens von Waren im großen Stil erfolgt.

Früher standen diese Bachaqueros lediglich vor den Supermärkten oder Apotheken für andere Schlange und kauften auf Bestellung, was gewünscht würde. Inzwischen erwerben Bachaqueros einfach alles was es gibt und die Rationierung zulässt. Das wird anschließend den normalen KundInnen mit einen satten Aufpreis angeboten. Der Job ist profitabel und übersteigt den Monatslohn so mancher Staatsangestellte um ein Mehrfaches.

Auch die Korruption hat Ausmaße angenommen, die einem aufrechten Chavista verzweifeln lässt. Noch vor jeder Wahl war bisher versucht worden, die Regale in den Supermärkten zu füllen. Diesmal gab es nichts umsonst. Alle dafür vorgesehen Dinge waren zuvor der Korruption in den eigenen Reihen zum Opfer gefallen und verschwunden.

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