: OFF-KINO
Off-Kino
Lars Penning
Filme aus dem Archiv– frisch gesichtet
Das 1985 von den Filmemachern Isao Takahata und Hayao Miyazaki gegründete japanische Studio Ghibli war lange Zeit das einzige Animationsstudio der Welt, das noch in Anlehnung an das alte Hollywood-System funktionierte: Mitarbeiter wurden nicht für einzelne Projekte angeheuert, sondern fest angestellt, was selbstredend auf die Qualität der Animation positive Auswirkung hatte. Jetzt aber ist es offenbar damit vorbei: Nach dem teuren Flop von Takahatas „Die Legende der Prinzessin Kaguya“ (2014) liegt die Animationssparte des japanischen Traditionshauses vorerst auf Eis. In Zukunft nur noch projektgebundene Neueinstellungen – inwiefern dies den Stil des Studios verändern wird, bleibt abzuwarten. Der letzte Film des alten Studios ist „Erinnerungen an Marnie“ von Hiromasa Yonebayashi („Arrietty“), die Verfilmung eines Jugendbuchklassikers der britischen Autorin Joan G. Robinson. Im Rahmen des detailversessenen Quasirealismus, für den das Studio berühmt ist, durchdringen sich Ebenen mit Träumen, Erscheinungen und Stimmen aus der Vergangenheit, als die 12-jährige Außenseiterin Anna während eines Erholungsaufenthalts am Meer Abenteuer mit der wie eine kleine Prinzessin anmutenden Marnie imaginiert. Merkwürdig nur, dass Annas neue Tagtraum-Freundin in einer Villa ein reales Tagebuch hinterlassen hat, das die gemeinsamen Erlebnisse schildert. Es gibt also ein Rätsel zu lösen, ehe am Ende deutlich wird: Weiß man erst einmal, woher man kommt, kann man auch der Zukunft gelassen entgegenblicken (3. 12.–9. 12., 15.45 Uhr Tilsiter Lichtspiele, 4. 12., 22.45 Uhr, 6. 12., 16.45 Uhr Sputnik).
Ist George Stevens’ „The More the Merrier“ (1943) tatsächlich eine Screwball-Komödie? Wenngleich in der entsprechenden Arsenal-Reihe eingereiht, hätte ich da meine Zweifel: zu wenig Tempo, zu wenig Geschlechterkrieg. Sehr lustig wird es in der romantischen Komödie trotzdem, wenn eine junge Frau im zu Kriegszeiten überfüllten Washington ihr Appartement mit zwei Männern teilen muss. Die heute zu Unrecht vergessene Jean Arthur gehörte zu den Top-Komödiantinnen der Zeit, und der stoische Joel McCrea steht ihr in nichts nach (OF, 4. 12., 21 Uhr, 7. 12., 20 Uhr, Arsenal 1).
Die Gier der anderen ist ihm fremd: Natürlich sucht der kleine Tramp in Charlie Chaplins „The Gold Rush“ (1924) nicht nach Goldnuggets, sondern nach Liebe und Verständnis. Doch davon gibt es in der Wildnis wenig, dafür umso größere Probleme: etwa Hunger, der ihn in einer berühmten Szene dazu treibt, seinen Stiefel zu essen (6. 12., 16.30 Uhr, Arsenal 1).
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