Eine Outsiderin unter vielen

Porträt Seit Ende der 90er lebt die israelische Jazzmusikerin Efrat Alony in Berlin. Lange fühlte sie sich fremd, nun ist das anders. An zwei Abenden ist sie in ihrer Wahlheimat live zu erleben

„Die Ohren aufmachen, dann kann alles passieren“: Efrat Alony Foto: Carola Schmidt

von Franziska Buhre

Ein Berliner Postamt anno 1997, in Zeiten vor Internet und Skype. Efrat Alony fragt den Postbeamten auf Englisch nach der Höhe des Portos für einen Brief nach Israel. Er schreit sie an: Sie sei in Deutschland, hier werde Deutsch gesprochen. Eine der ersten negativen Erfahrungen, bei denen Alony nur als Fremde betrachtet wird.

Dabei lernt Alony, die zur Fortsetzung ihres Studiums des Jazzgesangs nach Berlin gekommen ist, mit Deutsch bereits ihre vierte Sprache. Ihre Muttersprache ist Hebräisch, sie versteht Arabisch und spricht seit dem Jazzstudium in Israel und den Vereinigten Staaten Englisch. An der Hochschule für Musik Hanns Eisler ist sie die erste eingeschriebene Israelin und Jüdin überhaupt. Aufgewachsen ist sie in Haifa, in Berlin ist sie seit 1997. An zwei Abenden in dieser Woche ist die 40-Jährige nun live in ihrer Wahlheimat zu erleben.

Menschen aus ihrem persönlichen Umfeld in Israel kritisierten seinerzeit ihre Entscheidung für Berlin als „Stadt des Bösen“, mit dessen Geschichte sie konfrontiert wurde, sobald sie die Hochschule betrat – die hatte ihren Standort damals noch im ehemaligen Amtssitz von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß und der späteren Parteikanzlei der NSDAP in der Wilhelmstraße, heute Sitz des Bundes­ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.

„Ich war ein Outsider, wurde an der Hochschule aber super aufgenommen,“ erzählt Alony im Gespräch. „Dennoch hatte ich das Gefühl, ich muss etwas repräsentieren, das größer ist als ich. Weil es damals so wenig jüdische Kultur in Berlin gab und hier sehr wenige Is­rae­lis lebten. Das hat sich extrem verändert in den letzten Jahren. Inzwischen bin ich ein Outsider unter vielen anderen und fühle mich sehr wohl.“

Alony identifiziert sich mit der Kultur und Geschichte Israels, als jüdische Atheistin aber nicht mit der Religion. Die Eltern ihrer Mutter und ihres ­Vaters wurden in Bagdad geboren, in den 1950er Jahren emigrierten sie nach Israel. Bei ihnen hörte ­Alony als Kind zum Beispiel die Lieder der ägyptischen Sän­gerin Umm Kulthum und des syrischägyptischen Sängers Farid el Atrache – ihr Vater hörte dagegen eher die Beatles, Led Zeppelin und Pink Floyd.

„Ich sollte etwas repräsentieren, das größer ist als ich“

Efrat Alony

Mit dem populären israelischen Liedgut wird Alony durch Aufnahmen der Sängerinnen Yaffa Yarkoni und Shoshana Damari vertraut. In den 80er Jahren tragen Yardena Arazi und Ofra Haza offen Rivalitäten um die Vormacht im israelischen Pop aus. Zum Vorbild für Alony wird schließlich die Sängerin Etti Ankri: „Ihre Texte waren sehr direkt, sie hat knallhart gesagt, was sie denkt, und sich nicht dafür entschuldigt. Sie hat das Frauenbild in einem anderen Licht gezeigt, auf mich hatte sie damit einen großen Einfluss.“

Lieder geschrieben hat Alony bereits, bevor sie Noten lesen konnte, zuerst die Texte, dann die Melodie. In ihrem aktuellen Projekt überträgt sie gemeinsam mit dem mosambikanischen E-Bassisten Childo Tomas die Lieder ihrer Kindheit und Jugend in ihre heutige musikalische Ästhetik und schreibt neue Songs für das gemeinsame Programm. Nach Jahren wieder aufgefundene Stücke erarbeitet sie mit neuen Harmonien und Arrangements, Tomas bereichert sie um südafrikanische Rhythmen und Klangfarben; er singt oder spricht Texte und spielt die Kalimba, das kleine selbstklingende Zupfinstrument, auch Daumenklavier genannt. Die neuen Stücke komponiert Alony erst in Gänze und fügt dann die eigenen hebräischen oder englischen Texte hinzu – in die Arrangements bettet sie elektronisch erzeugte Klänge ein. Mit Childo Tomas verbindet sie die Frage nach einem Gefühl von Heimat, die beide, fern ihrer Geburtsländer, in sich tragen: Tomas lebt seit 1994 in Barcelona, als festes Bandmitglied des kubanischen Jazzpianisten Omar Sosa tourt er in den kommenden Monaten quer durch Europa und die Vereinigten Staaten.

2011 gab er Efrat Alony den Anstoß zur Zusammenarbeit, in Berlin treffen sie sich zwei- bis dreimal im Jahr zu Arbeitsphasen und anschließenden Tourneen. Mit dem aus Frankfurt am Main stammenden Schlagzeuger Sebastian Merk, der mit Alony an der Hochschule studierte, ist aus dem Duo vor wenigen Wochen ein Trio geworden. „In einem Duo oder Trio kann man die Ohren aufmachen, und es kann alles passieren,“ erklärt Alony ihre Vorliebe für kleine Besetzungen. „Ich kann die Kontraste zwischen sehr feinen und sehr groben Klangfarben, zwischen laut und leise sehr gut einsetzen. Diesen großen Spielraum genieße ich.“

Efrat Alony im Duo mit Childo Tomas und im Trio mit Julia Hülsmann und Marc Muellbauer: Jazz-Institut Berlin, 3. 12., 19 Uhr

Efrat Alony mit Childo Tomas und Sebastian Merk: Grüner Salon der Volksbühne, 5. 12., 21 Uhr im Rahmen von „Jazz Units“