THEATER

TheaterEsther Slevogt Müllerbetrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Wenn man so auf die Dramen der Weltliteratur blickt, dann nervt schon, wie die Frauen darin wegkommen, nämlich als Opfer von Männern meist, von denen sie mit großer Lust zerstört werden. Nehmen wir nur mal Luise Miller bei Freund Friedrich Schiller, die von ihrem Geliebten Ferdinand vergiftet wird, obwohl sie sich nun wirklich nichts zuschulden kommen ließ. Oder die stolze Desdemona, die deswegen mal eben von ihrem Mann erwürgt wird. Dann wäre da noch die schöne Lavinia, die in Shakespeares „Titus An­dro­nicus“ vergewaltigt und verstümmelt wird, das allerfürchterlichste Theaterfrauenopfer. Und schließlich die berühmte Ophelia, die den wirren Prinzen Hamlet liebt, mehr oder weniger zumindest. Und am Ende ohne nachvollziehbaren Grund ins Wasser geht. Heiner Müller hat aus diesen tragischen Opferfrauen die sprichwörtlich gewordene „Frau mit dem Brustkrebs“ bzw. dem Kopf im Gasherd gemacht. Was muss das für eine ästhetische Lust sein, Frauen zu zerbrechen! Ästhetische Männerlust. Doch dann kam die junge britische Dramatikerin Alice Birch. Seit sie 2010 im Alter von 24 Jahren ihr erstes Stück vorgelegt hat, war klar, dass hier eine neue starke Stimme die Szene betreten hat, die den Spieß einmal gründlich umdreht: radikal, doch nicht so selbstzerstörerisch wie Sarah Kane, aber mindestens sprachgewaltig. In Großbritannien ist Alice Birch bereits ein Star. Und ein Star ist mit ziemlicher Sicherheit demnächst auch hier in Deutschland. In der Schaubühne am Lehniner Platz inszeniert nun die britische Regisseurin Katie Mitchell einen Abend aus Texten von Alice Birch. „Ophelias Zimmer“ heißt er und nimmt diese Frauenopfer der dramatischen Weltliteratur und den Männerblick, der sie erst dazu macht, einmal genauer unter die Lupe beziehungsweise das Objektiv der Videokamera, mit der Mitchell ihre Stoffe auf der Bühne stets live seziert (Schaubühne: „Ophelias Zimmer“, Premiere 8. 12., 20 Uhr).

Die Frage nach den (Frauen-)Körpern und der Macht treibt schon länger die Tänzerin und Choreografin Angela Schubot um, die im Hebbel am Ufer nun mit „Körper ohne Macht“ den letzten Teil ihrer Solo-Trilogie präsentiert, mit der sie das Thema erforscht und tänzerisch ausgelotet hat: (HAU1, 4., 5., 6. & 7. 12, jeweils 19 Uhr).

Und noch einmal Frauen. Allerdings wieder von Männern angeschaut: Im Deutschen Theater bringt Stefan Pucher, der Spezialist für popgesättigtes Breitwandtheater, eine Neubearbeitung des Emanzipationsdramas „Nora“ heraus, die Armin Petras nach Henrik Ibsen verfasst hat (Dt. Theater: „Nora“, Premiere 4. 12., 19.30 Uhr).