Freude und Kritik

BURKINA FASO Ob der Sieger der Präsidentschaftswahl Roch Kaboré auch den ersehnten politischen Wandel bringt, gilt als unsicher

Unterstützer von Wahlsieger Kaboré feiern vor seinem Hauptquartier Foto: Theo Renaut/ap

Aus Ouagadougou Katrin Gänsler

Das Aufatmen ist am Tag nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou richtig zu spüren. Rund um den sandigen Markt Sankariaré, wo man von Brot über Gemüse bis hin zu Ersatzteilen für Lkws so ziemlich alles kaufen kann, ist die Stimmung noch entspannter als sonst. Viele Menschen lächeln. So war es bereits in der Nacht, als die unabhängige nationale Wahlkommission mit mehreren Stunden Verspätung den Wahlsieg von Roch Marc Christian Kaboré verkündete. Kaum hatte Kommissionspräsident Barthélémy Kéré bekannt gegeben, dass der 58-Jährige 53,49 Prozent erhalten hat, setzten die ersten kleinen Hupkonzerte und Jubelrufe ein. Sein stärkster Rivale Zéphirin Diabré (29,65 Prozent) gehörte zu den ersten, der Kaboré in der Nacht erst per Twitter, dann persönlich gratulierte.

Dabei dürften längst nicht alle Jubelnden überzeugte Anhänger des künftigen Staatsoberhauptes sein. Es ist vielmehr die Freude über Tag eins nach der jahrzehntelangen Herrschaft von Expräsident Blaise Compaoré. Der heute 64-Jährige war von 1987 bis 2014 an der Macht und hatte in dem knapp 19 Millionen Einwohner großen Land eine Familiendiktatur mit demokratischem Anstrich eingeführt.

Auch wenn es bis zur Vereidigung Kaborés noch ein paar Tage dauert, markiert der 1. Dezember auch das Ende der 13-monatigen Übergangsherrschaft in Burkina Faso. Sie zog sich in die Länge, weil es nach Compaorés Rücktritt am 31. Oktober 2014 – bedingt durch wochenlange Straßenproteste der Zivilgesellschaft – einen Staatsstreich gegeben hatte. Dies verzögerte den Urnengang um weitere sieben Wochen und führte zu einem weiteren Stillstand der Wirtschaft in dem ohnehin schon armen Land – für viele Menschen eine die Katastrophe.

Auf Kaboré kommen jetzt gewaltige Aufgaben zu. Unter seinem Vorgänger galt Burkina Faso zwar als politisch stabil, aber auch als völlig unterentwickelt. Während der Übergangsmonate hat es bereits eine ganze Reihe von Veränderungen gegeben, die der neue Präsident jetzt umsetzen muss. Beispielsweise wurde in die Verfassung aufgenommen, dass jeder Burkinabé das Recht auf Trinkwasser und Zugang zu Sanitäranlagen hat. Umfangreiche Verbesserungen muss es auch im Bildungssektor geben. Schätzungen zufolge kann bis heute nur jeder Dritte, der älter als 15 Jahre ist, lesen und schreiben.

Weitere Schwierigkeiten dürfte auch das rasante Bevölkerungswachstum mit sich bringen. Dies steigt in dem westafrikanischen Staat jährlich um mindestens drei Prozent an. Doch weder Schulen, noch Krankenhäuser oder die Landwirtschaft sind darauf ausgerichtet. Auch wenn es keine verlässlichen Zahlen gibt, leidet das Land unter einer hohen Arbeitslosigkeit.

Die politische Erfahrung von Kaboré ist zugleich sein Hemmschuh

Ob Kaboré sich dieser Probleme annimmt, ist allerdings offen. Die politische Erfahrung sollte der einstige Premierminister und Parlamentspräsident zwar haben. Sie ist aber gleichzeitig auch sein Hemmschuh. Dem großen, massigen Mann wird nach wie vor zu viel Nähe zum alten Regime vorgeworfen. „Er war ein wichtiger Spieler“, sagt Aly Sanou von der burkinischen Bewegung für Menschenrechte (MBDHP). Eine genaue Untersuchung seiner Vergangenheit hat es aber nicht gegeben. Sanou geht deshalb nicht davon aus, dass Roch, wie er gerne genannt wird, den Wandel bringen wird. „Es werden die gleichen Dinge nur mit neuen Köpfen geschehen“, prophezeit Menschenrechtler Sanou.

So ungehindert wie sein Vorgänger dürfte der einstige Student der Wirtschaftswissenschaften aber nicht mehr regieren. Dafür will die Bürgerbewegung „Balai Citoyen“ sorgen. Sie hatte über Wochen zum Wählen aufgerufen. Ihr Ziel ist es nun, sich weiter als außerparlamentarische Opposition zu etablieren, damit es nicht wieder zu einem Langzeitherrscher wie Compaoré kommt.

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