Berliner Szenen
: Das Paket

Zettels Traum

Ich kam aus dem Grauen einfachnicht heraus

Wenn die Post nicht zu dir kommt, musst du zur Post: zum seltsamen Kleinladen-Besitzer etwa, der dann den Ausweis sehen möchte. Man kennt das. Neulich aber hat die Abholstory ein neues Kapitel bekommen.

Zwar war ich zu Hause, fand statt meines Pakets nur den üblichen Zettel vor. In der zuständigen Postfiliale in der Karl-Marx-Straße verwies man mich anderntags an die Filiale in der Neuköllnischen Allee. Wo das sei? „Wir wohnen nicht in Neukölln, wir arbeiten hier nur.“

Meine Bitte, beim nächsten Mal das Paket am Späti im Vorderhaus abzugeben, wurde abgeschlagen: Dafür müsse ich mich registrieren. Elektronisch. Gegen meine Handynummer gäbe es dann eine SMS statt Abholzettel. Funktionierte leider nicht, weil der Scanner die überklebte Adresse auf meinem Personalausweis nicht lesen konnte.

Dank analogem Stadtplan – für Google Maps reicht der Speicherplatz meines Prä-Smartphone-Handys nicht – wandelte ich dann doch durch die postindustrielle Landschaft jenseits des S-Bahn-Rings: Brachen, Schnellstraßen, Lagerhallen.

Eine Art Lagerhalle war es dann, ein schnöder Container, darauf ein paar laminierte Zettel, die sagten: Paketabgabe ab 15 Uhr. Wenigstens regnete oder schneite es nicht. Reiner Zufall, dass ich die richtige Klingel drückte – die nämlich, die nach Lichtschalter aussah. Die andere, die nach Klingel aussah, war die falsche.

Am Schalter herrschte Dienst nach Vorschrift: Ich bin da nicht zuständig, aber hier ist eine Telefonnummer, Callcenter, Subunternehmen, alles outgesourct.

Immerhin, mein Paket war da. Als ich zu Fuß zurückging, dachte ich: Der Süden Neuköllns sieht aus wie Düsseldorf circa 1981. Heruntergekommener Altbau, alte Fassaden. Ich kam aus dem Grauen einfach nicht heraus. René Hamann