Globale Krisen, hausgemachte Fehler

Olympia I 51,6 Prozent der HamburgerInnen haben gegen eine Bewerbung gestimmt. Warum Hamburgsund damit auch Deutschlands Olympia-2024-Träume am Unwillen der BürgerInnen zerplatzten

Sonntagabend in der Hamburger Barclaycard Arena: Olympia-Befürworterinnen schwant Böses Foto: Axel Heimken/dpa

Aus Hamburg Sven-Michael Veit

Die Sieger waren von ihrem eigenen Erfolg überrascht und die Verlierer lange sprachlos. Er habe „keine kluge Erklärung“ für das Nein von 51,6 Prozent der HamburgerInnen für eine Bewerbung zu Olympischen Spielen 2024 in der Hansestadt, gestand Innen- und Sportsenator Michael Neumann (SPD) am Sonntagabend auf der Olympia-Party in der Arena im Hamburger Volkspark, in der keine Feierlaune aufkam.

Gerade hatte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) die Niederlage der Olympia-Befürworter beim Referendum eingestanden: „Hamburg wird sich nicht bewerben“, sagte Scholz mit Grabesstimme und starrem Gesicht. Er hatte gerade das verloren, was die oppositionelle Linkspartei „eine Vertrauensabstimmung“ nennt, ohne direkt seinen Rücktritt zu fordern.

FDP-Chefin Katja Suding, eine vehemente Olympia-Befürworterin, machte sich elegant vom Acker und schob Scholz die Schuld zu: „Der Bürgermeister hat es nicht vermocht, den Hamburgern vor ihrer Entscheidung ein abgesichertes Finanzkonzept mit klaren Zusagen des Bundes zu präsentieren.“

Damit hat sie nicht unrecht. Die Sorge ums Geld war ein wichtiger Grund dafür, dass die Olympia-Kampagne des rot-grünen Senats zusammen mit CDU und FDP, Sportbund und Handelskammer gescheitert ist: Im Finanzkonzept, Anfang Oktober präsentiert, klaffte eine Lücke von 6,2 Milliarden Euro, für die laut Scholz der Bund aufkommen sollte. Der aber, insbesondere Innen- und Sportminister Thomas de Maizière, war zu keiner klaren Zusage zu bewegen. Mehr als die Beruhigungsversuche, Bund und Hamburg würden sich schon noch einigen, war nicht zu vernehmen.

Kein Wunder, dass viele Menschen in Hamburg das Gefühl hatten, sie sollten beim Referendum einen Blankoscheck ausstellen – in einer Stadt, die sich schon eine Elbphilharmonie leistet, war das ein strategischer Fehler von Olaf Scholz.

Zudem fand das Referendum in einer Situation statt, in der viele Menschen verunsichert sind. Der anhaltende Flüchtlingszuzug wirft die Frage auf, was eine Stadt wie Hamburg und ein Staat wie Deutschland sich leisten können oder wollen oder sollten.

Offensichtlich ist in der Hansestadt, dass viele Menschen das Geld in der Flüchtlingshilfe besser aufgehoben sehen als bei den „Spielen der Reichen“, wie es die NOlympia-Bewegung formulierte. Andere glaubten dem Bürgermeister schlicht sein Versprechen nicht, dass es für Olympia keine Kürzungen im Sozialbereich und keine neue Schulden geben werde.

Und drittens nährten die Ereignisse von Paris, Hannover und Brüssel bei vielen HamburgerInnen die Befürchtung, dass ihre Stadt im Sommer 2024 monatelang zu einem olympischen Hochsicherheitstrakt werden müsse.

Im Finanzkonzept klaffte eine Lücke von 6,2 Milliarden Euro

Selbstverständlich waren auch die Skandale von Fifa und DFB und die Ungereimtheiten über den möglichen Kauf der Sommermärchen-WM 2006 nicht geeignet, Euphorie auszulösen.

Selbst das seit Jahresbeginn unaufhörlich darnieder prasselnde publizistische Dauerfeuer der Hamburger Standortmedien Bild, Welt, Abendblatt und Morgenpost sowie des NDR und sämtlicher Privatsender konnte die Niederlage nicht verhindern.

Hamburgs und damit auch Deutschlands Olympia-Träume zerplatzten an globalen Krisen, unglaubwürdigen Funktionären und hausgemachten Fehlern: Dagegen kommt niemand an, denn dabei sein ist nicht alles.

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