Inszenierung zur Partei der Aufrechten

Rechte Die AfD vermeidet auf ihrem Parteitag Richtungskämpfe und gibt sich als Partei der schweigenden Mehrheit aus. Das Asylrecht soll eingeschränkt werden – syrische Flüchtlinge sollen in den Krieg ziehen

Bietet für jede Parteifraktion etwas: Frauke Petry bei ihrer Rede auf dem AfD-Parteitag Foto: Axel Schmidt/reuters

Aus Hannover Sabine am Orde

Das Congress Centrum in Hannover ist mit Gittern abgesperrt, Polizeibeamte stehen dahinter. Kein Banner, kein Plakat deutet darauf hin, dass hier an diesem Wochenende der Bundesparteitag der AfD stattfindet. Drinnen warnt einer der Leiter der Veranstaltung die knapp 500 AfD-Delegierten aus Sicherheitsgründen davor, die Halle während der Gegendemo am Mittag zu verlassen. Für den Abend empfiehlt er: „Zeigen Sie Ihre Parteizugehörigkeit nicht offen.“

Die AfD inszeniert sich als eine Partei der Aufrechten, die dafür angefeindet und angegriffen wird, dass sie die Meinung eines großen Teils der Bevölkerung ausspricht. In Umfragen liege die Partei bei 10 Prozent, sagt Parteichefin Frauke Petry. Viele aber würden sich schlicht nicht trauen, sich zur AfD zu bekennen. Bei 20 Prozent, wenn nicht darüber, liege das Potenzial. „Wir brauchen die Ängstlichen, um die Mehrheit zu bewegen“, ruft sie in den Saal.

Mit dem Bild der Standhaften will Petry die Einheit der Partei beschwören. Von Hannover, dem ersten Parteitag nach der Spaltung im Sommer, soll ein Zeichen der Geschlossenheit ausgehen. Zuletzt deutete einiges darauf hin, dass die AfD erneut auf einen Machtkampf zusteuern könnte. Björn Höcke, der Mann, der bei Günther Jauch die Deutschlandfahne auf seinem Sessel platzierte, hatte sich gegen Petry in Stellung gebracht.

Petrys Kovorsitzender Jörg Meuthen, seit dem Abgang von Exparteichef Bernd Luckes das liberale Feigenblatt, gibt in ­seiner Eröffnungsrede den Ton vor. „Wir lassen uns nicht aus­einanderdividieren!“, ruft er. Die Delegierten applaudieren lange und laut und signalisieren: Sie wollen dem Ruf nach Geschlossenheit folgen.

Höcke selbst kommt spät, er ist nur Gast auf dem Parteitag und er hat kein Rederecht. Den Journalisten sagt er markige Sprüche, mit Kritik an der Parteiführung aber hält er sich zurück. Auch sein Mann im Bundesvorstand, der sachsen-anhaltische Landeschef André Poggenburg, mahnt zur Einheit.

Poggenburg will – wie Meuthen in Baden-Württemberg– im März in den Landtag gewählt werden. „Die Stimme des Bürgers ist unser Programm“, das ist sein Wahlkampfslogan. Es ist das gleiche Bild, das auch in Petrys Formulierung von den Ängstlichen steckt: Die AfD soll als Sprachrohr des vermeintlichen Willens eines großen Teils der Bevölkerung fungieren. Ähnlich erhöht sich Pegida allwöchentlich mit dem Ruf „Wir sind das Volk“.

Die Parteichefin wirkt angespannt, als sie zur Hauptrede des Parteitags nach vorne tritt. Sie hält eine vorsichtige Ansprache ohne Höhepunkte, für jeden Delegierten ist etwas dabei. „Wir sind gekommen, um zu bleiben“, ruft Petry in den Saal. Sie beschwört den Zusammenhang, den es zwischen „illegaler Einwanderung, unkontrollierter Migration und dem Anwachsen des Terrorismus“ gebe, fordert den Rücktritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel, weil diese in der „Migrationskrise“ die Kontrolle verloren habe. Die Journalisten im Saal nennt sie „Pinocchio-Presse“, das soll lustiger klingen als „Lügenpresse“ und sichert ihr den Applaus der Delegierten. Noch am Abend zuvor war sie im schicken blauen Abendkleid auf dem Berliner Presseball zu Gast. Die AfD müsse ihre Position überall vertreten, sagt sie jetzt: „im Plenarsaal und im Ballsaal, im Kreißsaal und im Hörsaal“. Das klingt wie eine Rechtfertigung.

„Wir brauchen Ängstliche, um die Mehrheit zu bewegen“

AfD-Chefin Frauke Petry

Samstagnachmittag muss die Parteispitze eine Niederlage einstecken. Die Delegierten lassen das Asylpapier des Bundesvorstands durchfallen und entscheiden sich für den radikaleren Entwurf aus Nordrhein-Westfalen. Der sei „plakativer“ und damit besser, so formuliert es ein Delegierter. Das Asylrecht müsse eingeschränkt, der Familiennachzug begrenzt oder gestrichen, Asylobergrenzen müssen eingeführt, die „nationale Identität“ müsse geschützt werden, heißt es da.

Syrische Männer, die nach Deutschland geflüchtet sind, sollen verpflichtet werden, in ihrer Heimat gegen den IS zu kämpfen, beschließt die AfD am Sonntag. Einen Bundeswehr-Einsatz in Syrien lehnte die Partei dagegen kategorisch ab.

Am Sonntag wird die Satzung diskutiert, auch die Frage, wie viele Vorsitzende die AfD künftig haben wird. Exchef Lucke hatte nur einen durchgesetzt, das soll korrigiert werden. Ein Delegierter will auf keinen Fall drei. „Hier soll etwas vorbereitet werden, was ich nicht will“, ruft er ins Saalmikrofon und dürfte Höcke als Ergänzung zu Petry und Meuthen im Kopf haben. Durchsetzen kann er sich nicht.