„Mein Anliegen ist nicht das Image“

Es geht um mehr als um den Zwang zum Umzug: Joachim Barloschky von der Stadtteilgruppe Tenever im Gespräch über Hetzkampagnen gegen Arbeitslose, über das Image von Quartieren und über die Sanierung Tenevers und ihre Folgen

Bremen taz ■ Wenn demnächst fast 10.000 Bremer Alg-II-Bezieher zum Umzug aufgefordert werden, gilt Osterholz-Tenever als einer der in Frage kommenden Stadtteile. Stadtteilmanager Joachim Barloschky berichtet, wie es den Menschen hier geht und warum Tenever Alg-II-Empfängern kaum Wohnraum zu bieten hat.

taz: Wie geht es den Menschen in Tenever angesichts aktueller Stimmungsmache gegen sie und ins Haus stehender Umzugsaufforderungen?

Joachim Barloschky: Es ist eine große Verunsicherung und Angst da bei allen, die von Arbeitslosengeld II leben müssen. Die „Schmarotzer“-Kampagne von Clement, „Bild“ und „Spiegel“ ist unerträglich. Es ist unsagbar, was hier Leuten passiert, die nicht schuld sind an ihrer Arbeitslosigkeit und jetzt auch noch verunglimpft und beschimpft werden.

Welche Wirkung haben die anstehenden Umzugsforderungen in dieser Dynamik?

Wohnung ist etwas ganz Wichtiges – sich hier bedroht zu fühlen, trifft die Menschen sehr persönlich, in ihrer Würde. Hinzu kommt, dass die Aufforderungen nicht nach und nach verschickt werden, sondern auf einmal an alle. Das verstärkt das Gefühl von Gehetztwerden sehr.

Was bedeutet das für Wohnquartiere wie Tenever?

Die Tendenz der Spaltung der Gesellschaft und damit auch der Wohnquartiere in Arme und Reiche hat in der Vergangenheit zugenommen und wird sich unter diesen Bedingungen noch weiter zuspitzen. Das ist nie gut. Aber hier in Tenever gibt es ja auch sanierte Wohnungen gerade für Familien. Und wenn die zum Teil auch für Alg-II-Empfänger bezahlbar sind, ist es natürlich nichts Böses, wenn sie zu uns kommen.

Was steht konkret an bei Ihnen im Quartier?

Wir hatten hier ja ein Ergebnis von Segregationsprozessen. Das Programm „Wohnen in Nachbarschaften“ und vor allem die Sanierung haben die Wohnbedingungen verbessert. Ein großer Teil der sanierten Wohnungen ist jetzt aber zu teuer für Alg-II-Empfänger. Von den 650 Wohnungen, die bis zum Ende der Sanierung 2008 fertig sein werden, ist nur die Hälfte Alg-II-kompatibel. Und vorrangig haben jetzt die Teneveraner, deren Wohnungen noch vom Abriss betroffen sind, Anspruch auf diese Wohnungen. Von diesen rund 160 Familien sind viele auf Arbeitslosengeld II angewiesen.

Das heißt aber, dass Bezieher von Alg II, die von außerhalb Tenevers kämen, hier kaum Wohnraum fänden.

Na, sanierte Wohnungen gibt es demnächst schon. Nur entspricht eben die Hälfte nicht Alg-II Bedingungen. Hier kommt es darauf an, ob der Vermieter mit dem Mietpreis runtergeht beziehungsweise die Bagis Mehrkosten übernimmt. Es gibt zwar noch andere Geschossbauten im Stadtteil Tenever, nicht nur das Hochhausviertel, aber da gibt es kaum freie Wohnungen.

Sie als Stadtteilmanager kämpfen um eine Aufwertung des Quartiers. Allein darin, dass es jetzt aber auf der Liste potenziell geeigneter Stadtteile für Alg-II-Bezieher steht, steckt aber doch die oben angesprochene Abwertung. Ärgert Sie das?

Mein Hauptanliegen ist nicht, ob das Image gut oder weniger gut ist – mein Hauptanliegen ist es, dass Menschen gute Wohn- und Lebensbedingungen haben. Dazu gehören auch gute Arbeitsmöglichkeiten. Dass es sie nicht gibt, ist der eigentliche Skandal, der auch vor Alg II immer wieder dazu geführt hat, dass Arme und Reiche immer weiter auseinander driften und sich eigene Quartiere entwickeln, die durch Armut oder Reichtum gekennzeichnet sind. interview: sgi