Noch ein Elektroschock für Berlin

Mit dem japanischen Konzern JVC will schon das dritte Elektronikunternehmen in Berlin praktisch zumachen. Gewerkschaften und Betriebsräte kämpfen weiter. Samsung-Arbeiter in Schwalbach

VON DANIEL SCHULZ

Ein weiteres Elektronikunternehmen macht in Berlin de facto dicht. Der japanische Konzern JVC will in seinem Reinickendorfer Werk bis Ende Januar 2006 225 Mitarbeiter von 235 entlassen. Zehn sollen am Standort im europäischen Qualitätsmanagement weiterarbeiten. „Daher ist es keine Schließung, sondern eine Umstrukturierung“, meinte gestern Rudolf Kumpera, Berliner Managing Director des Konzerns. „Das ist angesichts der Zahlen doch Augenwischerei“, widerspricht Petra Jentzsch von der IG Metall. Das Werk werde praktisch geschlossen.

Als Grund für die Massenentlassungen gibt das Unternehmen „Preisverfall und steigende Kosten“ an. Mit dem seit 1982 produzierenden Werk nahe dem Märkischen Viertel will jetzt bereits der dritte Elektronikkonzern innerhalb kurzer Zeit dichtmachen. Gestern gab die Firma Stiebel Eltron bekannt, ihr Werk in Tempelhof schließen zu wollen. Die 95 Beschäftigten, die bisher zumeist Boiler herstellten, sollen in die Unternehmenszentrale ins niedersächsische Holzminden wechseln. Das Samsung-Werk in Oberschöneweide ist seit Wochen vom Aus bedroht. Gestern demonstrierten die 300 Mitarbeiter der Bildröhrenfabrik vor dem Europa-Sitz des Konzerns im hessischen Schwalbach.

Warum die Schließungswelle derzeit ausgerechnet über Berlin hinwegrollt, versucht Christoph Lang, Sprecher des Wirtschaftssenators Harald Wolf, zu erklären. „Sowohl Boiler und Videorekorder als auch Bildröhren sind Auslaufmodelle“, sagt Lang und fordert die Unternehmen auf, rechtzeitig zu investieren. „Es gibt durchaus auch Fördermittel für die Innovation neuer Produkte.“ Fehler in der eigenen Wirtschaftspolitik sieht Lang nicht. Man habe Unternehmen stets Hilfe angeboten. „Doch wenn wir nicht angesprochen werden, können wir nur noch auf die Schließung reagieren.“

Zumindest bei Stiebel Eltron gibt es Hoffnung, das Werk noch zu retten. Auf einer Telefonkonferenz habe die Konzernleitung zugesagt, dass man einen Verbleib in Berlin prüfen wolle, sagt Inge Schulze, die Sekretärin der IG Metall für Tempelhof und den Südwesten Berlins. „Das Werk schreibt schwarze Zahlen, und eventuell kann sich das Unternehmen in Berlin noch anders aufstellen.“ Schulze verweist darauf, dass man mit einem Alternativplan des Betriebsrates auch das Schließen des Hausgerätewerkes von Bosch-Siemens verhindert habe.

Auf einen solchen Alternativplan hatten allerdings auch die Betriebsräte von Samsung gehofft. Auch da hatte das Unternehmen anfangs noch positive Signale ausgesendet. Doch am Donnerstag ließ Samsung verkünden, die Berechnungen der Arbeitervertreter beruhten auf falschen Zahlen. Die Verhandlungen seien gescheitert. Betriebsratschef Wolfgang Knibbel will dennoch nicht den Mut verlieren: „Der Konzern ist durchaus nervös wegen seines Images, viele haben schon einen Kaufboykott angekündigt.“ Wenn das Werk schließe, werde man mit dem Protest wenigstens einen Sozialplan durchsetzen.