THEATER

TheaterEsther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Das Theaterfestival Nordwind findet seit 2006 alle zwei Jahre statt und zeigt Theater- und Performancekunst aus nordeuropäischen Ländern, die rund um die Ostsee liegen. Unter diesen Ländern ist auch Russland, dem der diesjährige Schwerpunkt gewidmet ist. Dass im Norden die Künstler mitunter etwas krasser ticken, kann man immer wieder an Ent­deckungen feststellen, die diesem Festival zu verdanken sind. Die Extremtheatermacher Vegard Vinge, Trond Reinholdtsen und Ida Müller zum Beispiel, die zum ersten Mal in Berlin mit einer Arbeit beim Norwind-Festival zu sehen waren. Oder Kristian Smeds mit seinen 12 Karamasows.

Auch die extremen Open-Word-Installationskünstler SIGNA sind ein waschechter Nordwind-Import. Einer der krassesten Künstler der diesjährigen Festivalausgabe wird wahrscheinlich gar nicht erst kommen können. Auch wenn im Rahmen des Festivals seine erste Retrospektive geplant ist. Denn Pjotr Pawlenski ist vor einigen Tagen in Moskau verhaftet worden, nachdem er die Tür des russischen Inlandsgeheimdienstes in Brand gesetzt hat, um gegen den Terror dieser Behörde zu demonstrieren. Dabei war dies eine vergleichsweise dezente Aktion, wenn man mal guckt, was der 1984 geborene Künstler sonst so macht: Letztes Jahr im April zum Beispiel hat er sich in Moskau in der Nähe des Kreml nackt mit einem Hoden auf dem Platz festgenagelt, um gegen die Apathie der Gesellschaft zu demonstrieren. Als Protest gegen die Verhaftung der Pussy-Riot-Bandmitglieder nähte er sich 2012 den Mund zu. Im vergangenen Oktober schnitt er sich öffentlich ein Stück seines Ohres ab, um ein Zeichen gegen den Missbrauch der Psychiatrie zu setzen.

In der Volksbühne steht am 28. 11. eine Lecture-Performance auf dem Programm, die Pawlenski wahrscheinlich via Skype aus der Untersuchungshaft halten wird: (Das geht, sagt das Festival!). Danach ist ein Gespräch mit dem deutschen Aktivisten Philipp Ruch vom Zentrum für Politische Schönheit geplant. Die Pawlensky-Retrospek­tive ist im Hamburg auf Kampnagel zu sehen. Das Festival findet gleichzeitig in Berlin, Hamburg und Dresden statt. (Nordwind-Festival 14. 11.–23. 12. Alle Infos: www.nordwind-festival.de).

Zu einer Krassheit speziell österreichischer Ausprägung neigt auch der junge Dramatiker Ferdinand Schmalz, was auch am Plot seines neuen Stück „Her­zerl­fresser“ zu erkennen ist: Da spielen unter anderem eine Fußpflegerin und zwei Frauenleichen eine tragende Rolle, denen das Herz fehlt. Am 28. 11. kommt das Stück in der Box des Deutschen Theaters heraus. (Deutsches Theater: „Herzerlfresser“, ab 28. 11. 2015, 19.30 Uhr.)