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„Das Verlustrisiko im Auge behalten“

Interview Wie rettet man einerseits die Welt und kassiert andererseits Rendite? Anleger müssen genau hinschauen und für sich definieren, was sie für wichtig halten. Hermann-Josef Tenhagen erläutert die Chancen und Risiken grüner Geldanlagen

Erneuerbare Energie werden künftig eine immer größere Rolle spielen Foto: Paul Langrock/Zenit

Interview Ansgar Warner

taz: Herr Tenhagen, auch das Volumen nachhaltiger Fonds hat unter der Wirtschaftskrise gelitten, in Deutschland wurde erst jetzt wieder der Wert von 2009 erreicht. Wie stark sind nachhaltige und konventionelle Sektoren der Wirtschaft verschränkt?

Hermann-Josef Tenhagen:Da muss man zwischen zwei Dingen trennen – zum einen haben das Volumen und der Erfolg von nachhaltigen Fonds auch unter der Krise seit 2008 gelitten. Zugleich gab es aber durch die staatliche Förderung bei Solar- und Windenergie vor der Krise 2008 viele künstlich aufgepumpte Fonds. Die haben zusätzliche Kursverluste erlitten. Das Förderregime hat sich bei uns geändert, gerade bei Photovoltaik haben die Chinesen den Markt übernommen, die deutschen Solarkonzerne in den Fonds hatten große Probleme. Das ist nicht nur schlecht: Die nachhaltigen Fonds in Deutschland sind jetzt auf jeden Fall gesünder als vorher, speziell die Solarwerte haben aber bei uns an Bedeutung verloren.

In Krisenzeiten wird gern auf Gold gesetzt. Wie steht es eigentlich mit „grünem Gold“, das fair produziert wird und insofern auch einen Platz im Portfolio von nachhaltig orientierten Anlegern beanspruchen könnte?

Gold wirklich ökologisch zu fördern ist gar nicht möglich, wenn überhaupt kann man die Arbeitsbedingungen der Menschen verbessern. Außerdem ist Gold immer eine spekulative Anlage, wer Gold kauft, wettet oft entweder kurzfristig auf schnelle Steigerungen oder darauf, dass die ganz große Krise kommt und es mit allen anderen Werten bergab geht. Gold kann man aber im Krisenfall nicht essen. Da ist am Ende ein Schrebergarten eine bessere Absicherung.

Der sinkende Ölpreis macht manch klassisches Geschäftsmodell unrentabel, allein in Nordamerika sollen binnen sechs Monaten mehr als 350 Milliarden Dollar in den (Teer-)Sand gesetzt worden sein. Wie wirkt sich die Verbilligung fossiler Energien auf die Rendite erneuerbarer Energien aus?

Die starken Schwankungen beim Ölpreis haben Auswirkungen. Doch wie lange wird es beim billigen Öl bleiben? Klar ist dagegen, dass langfristig erneuerbare Energien immer günstiger werden. Außerdem liefert eine Solaranlage oder ein Windrad die Energie kostenlos, wenn man sie erst mal aufgestellt hat. Wer fossile Energien verbraucht, muss ständig etwas zum Verbrennen nachkaufen. Bei der Stromerzeugung konkurriert Öl aber sowieso nicht mehr gegen die Erneuerbaren, beim Heizen wird es in Zukunft immer weniger, wichtig bleibt Öl bei den mobilen Energiefressern auf vier Rädern.

Beim grünen Geld hat sich der Begriff „ethisch-ökologisch“ eingebürgert. Doch nicht mal beim Ausschluss von Rüstung oder fossilen Energien scheint Konsens zu herrschen. Wie kann man da als Anleger die Kontrolle behalten?

Hermann-Josef Tenhagen

ist Chefredakteur und Geschäftsführer des unabhängigen Online-Verbrauchermagazins „Finanztip.de“ sowie Mitglied im Aufsichtsrat der taz-Genossenschaft.

Eine einheitliche Definition gibt es nicht, deswegen muss man als Anleger immer sehr genau hinschauen. Viele Unternehmen sind gleichzeitig in sehr unterschiedlichen Bereichen tätig und haben viele Tochterfirmen – was machen die im Einzelnen? Außerdem muss man genau definieren, was man selbst für wichtig hält. Was ist mit Glücksspiel? Was ist mit Alkohol? Ist ein Weinberg noch ethisch vertretbar? Findet man Tariflöhne wichtig? Da wären dann selbst mittelständische Zeitungsverlage aus dem Rennen, inklusive der taz.

Ein internationaler Trend bei Immobilien lautet „Green Buildings“, also die Investition in energieeffiziente Gebäude. Kann man das auch deutschen Anlegern empfehlen?

Die Investition in die eigene Immobilie lohnt sich oft – nicht umsonst ist die Solaranlage auf dem Dach die häufigste grüne Anlageform in Deutschland, dicht gefolgt von Wärmedämmung. Danach kommt erst mal ganz lange nichts, dann kommen irgendwann Fonds. Im Bereich Green Buildings würde ich aber von geschlossenen Fonds, die grüne Bürogebäude finanzieren, die Finger lassen. Darin steckt oft ein hoher Anteil von Fremdkapital, vor allem Kredite von Banken. Die Initiatoren und die Banken machen damit im Zweifel ein gutes Geschäft, das Risiko hingegen tragen die privaten Anleger. Auch bei grünem Geld sollte man das Verlustrisiko allerdings nicht aus den Augen verlieren.

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