Mehr Mittel

Die afrikanischen Staaten wollen mehr Geld, die Schweden fordern
Papiere, und die deutschen Justizminister fürchten falsche Signale

In 0,1 Prozent der Fälle

Paragrafen Einreise ohne Visum bleibt offiziell strafbar

Für die Regierung hat das Thema im Moment keine Priorität

Justizminister Heiko Maas

BERLIN taz | Die Hamburger Justizbehörden wollten die Einreise von Flüchtlingen entkriminalisieren. Aber sie konnten sich mit ihrem Antrag auf der Justizministerkonferenz am Donnerstag nicht durchsetzen.

Die Mehrheit der Länder sieht zwar Handlungsbedarf, wollte aber zunächst nur eine Arbeitsgruppe einsetzen. Die Bundesregierung will gar nicht aktiv werden.

Fast alle Flüchtlinge kommen aus Staaten, deren Bürger für die Einreise nach Deutschland ein Visum benötigen. In der Regel haben die Flüchtlinge aber keine Visa, deshalb wird sofort gegen sie wegen illegaler Einreise ermittelt. Das Aufenthaltsgesetz sieht hierfür bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vor (Paragraf 95).

Es ist absurd: Die Flüchtlinge müssen wochenlang warten, um registriert zu werden und einen Asylantrag stellen zu können. Aber wegen der illegalen Einreise legt die Polizei sofort eine Akte an. Zum Glück bekommen die Flüchtlinge meist gar nicht mit, dass gegen sie ermittelt wird.

Am Ende passiert in der Regel nämlich gar nichts. „In 99,9 Prozent der Fälle wird das Ermittlungsverfahren eingestellt“, erklärte der Stuttgarter Justizminister Rainer Stickelberger (SPD).

Das ist im Gesetz auch so angelegt, denn dort wird auf die Genfer Flüchtlingskonvention verwiesen, die es ausdrücklich verbietet, Flüchtlinge wegen „unrechtmäßiger Einreise“ zu bestrafen.

Belastet sind von dem Unsinn also weniger die Flüchtlinge als vielmehr Polizei und Staatsanwaltschaft, die völlig unnötige Arbeit machen.

Dennoch stellte sich vor allem Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) gegen die Änderungswünsche: „Es wäre angesichts des unkontrollierten Zustroms von Migranten das völlig falsche Signal, bei der Einreisekriminalität zurückzuweichen.“

Auch Justizminister Heiko Maas (SPD) erklärte: „Für die Bundesregierung hat das Thema im Moment keine Priorität.“ Diese Nachricht ist noch wichtiger als der Widerstand aus Bayern. Denn eine Änderung des Aufenthaltsgesetzes müsste im Bundestag erfolgen.

Die von Baden-Württemberg beantragte Länderarbeitsgruppe will nun bis nächstes Frühjahr Vorschläge erarbeiten.

Vermutlich wird es dabei nicht um eine Entkriminalisierung gehen, wie sie Hamburgs Justizminister Till Steffen (Grüne) vorgeschlagen hatte. Stattdessen geht es dann wohl nur um Vereinfachungen der strafrechtlichen Bürokratie. Christian Rath