Der Senat zieht ins Feld

TEMPELHOFER FELD Landesregierung beschließt Entwurf für Gesetzesänderung: Am Rande sollen bis Ende 2019 Flüchtlingsunterkünfte möglich sein. Abgeordnetenhaus soll das bisherige Bauverbot im Dezember kippen

Das Tempelhofer Feld – noch ganz ohne Randbebauung Foto: Paul Langrock/Zenit

von Stefan Alberti

SPD und CDU haben sich im Senat nach mehrwöchigen Diskussionen geeinigt, Flüchtlinge am Rand des Tempelhofer Felds unterzubringen und dafür das Schutzgesetz für das Gelände zu ändern – begrenzt bis Ende 2019. Geplant sind vier Standorte. Nach Willen des Senats soll das Parlament die Änderung am 10. Dezember beschließen. Das soll alternativlos sein, wenn man nicht noch mehr Turnhallen belegen wolle. „Das ist ein Frontalangriff auf die direkte Demokratie“, reagierte die Ini­tia­tive „100 % Tempelhofer Feld“, die den Volksentscheid gegen eine Bebauung im Mai 2014 auf den Weg brachte.

Vor drei Wochen waren erste Überlegungen zu Flüchtlingsunterkünften auf dem Flugfeld des 2008 geschlossenen Flughafens durchgesickert. Damals ging es nur um einen Streifen längs des Tempelhofer Damms, vergangene Woche kam die Neuköllner Seite des Felds hinzu. Im Senatsbeschluss vom Dienstag taucht jetzt auch der nördliche Rand am Columbiadamm auf (siehe Grafik). Von den Standorten der vor dem Volksentscheid geplanten Bebauung will der Senat damit nur den Südrand längs der Stadtautobahn nicht nutzen. Dort sei vor allem die Anbindung zu schwierig, hieß es.

Flüchtlinge dürfen künftig 20 Prozent mehr für eine Wohnung ausgeben, die ihnen das Land Berlin bezahlt. Bislang galt für Wohnungslose ein Mietzuschlag von 10 Prozent auf den eigentlich geltenden Richtwert. Das hat der Senat am Dienstag auf Vorschlag von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) beschlossen. Die rot-schwarze Landesregierung will damit die schwierige Suche von Flüchtlingen nach einer eigenen Wohnung erleichtern (taz berichtete). Für das Land kostet das nach Czajas Rechnung noch nicht mal mehr: Die Kosten einer Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft lägen „weit über den Kosten für eine akzeptable Wohnung“. Die Regelung betrifft rund 2.500 Flüchtlinge mit abgeschlossenem Asylverfahren. (taz)

Von den vier ins Auge gefassten Standorten – auf Neuköllner Seite sind es zwei – ist laut Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) bislang nur einer ganz konkret: Am Tempelhofer Damm, zwischen den beiden dortigen Feld-Zugängen, soll ab Ende Januar/Anfang Februar eine Traglufthalle stehen. Die gehört dem Land bereits: Sie sollte eigentlich als Blumenhalle bei der Internatio­nalen Gartenausstellung 2017 in Marzahn dienen. 700 bis 800 Flüchtlinge können laut Geisel in ihr unterkommen. „Die weiteren Flächen sind reine Vorsorge“, sagte Geisel am Dienstag. Deshalb lasse sich auch nicht sagen, wie viele Flüchtlinge letztlich insgesamt am Feld leben würden. In den Hangars, den früheren Flugzeughallen, sind bereits rund 2.500 untergebracht, im Frühjahr sollen es doppelt so viele sein.

Im Zusammenhang mit Flächen auf der Neuköllner Seite und am Columbiadamm sprach Geisel nicht nur von Hallen, sondern auch von Containern. Das überraschte insofern, als die baupolitische Sprecherin der SPD-Abgeordnetenhausfraktion, Iris Spranger, ihre Zustimmung zu einer Gesetzesänderung an Traglufthallen gekoppelt hatte. „Für dauerhafte Bauten oder Container fasse ich das Gesetz nicht an“, sagte Spranger der taz, als Anfang November erste Unterbringungspläne bekannt wurden.

Die 100-%-Initiative hatte das abgelehnt und als Alternative vorgeschlagen, die Traglufthalle auf dem Vorfeld aufzustellen. Das ist das betonierte Gelände zwischen Flughafengebäude und Flugfeld, auf dem das gesetzliche Bauverbot nicht gilt. Das aber kommt für Geisel aus Sicherheitsgründen nicht in Frage. Zudem brauche man die Fläche für Versorgungseinrichtungen für die mehreren tausend Menschen in den angrenzenden Hangars. Außerdem wolle man nicht noch mehr Menschen an einer Stelle konzentrieren.

Die Initiative überzeugt das nicht: „Es stehen immer noch viele öffentliche Gebäude leer.“ Sie erinnert daran, dass 740.000 Berliner gegen eine Bebauung stimmten – und legt nahe, der Senat benutze die Flüchtlinge, um seine damaligen Pläne doch noch durchzusetzen. Auch Grünen- und Piratenfraktion lehnen massenhafte Unterbringung am Tempelhofer Feld ab.