Im Container zuhause

DESIGN VON NEBENAN (VII) Matthias Salinger verwandelt schnöde Container in lichtdurchflutete Büros und Wohnungen. Die lassen sich aneinander und übereinander bauen und wieder verändern

Vielleicht zieht Salinger nächstes Jahr wieder um, einfach, weil er es kann

AUS OLDENBURG MAIK NOLTE

Betritt man Matthias Salingers Studentenbude, steht man gleich vor der Küchenzeile. Rechts geht es zum offenen Wohnbereich, links ins Bad, dahinter befindet sich eine Art Schlaf-Alkoven. 25 Quadratmeter misst die Wohnung. Salinger, der seine Studienzeit längst hinter sich hat, baute die Wohnung in einen handelsüblichen Seecontainer, die millionenfach über die Weltmeere verfrachtet werden.

Das Konzept „Create your Cubes“ ist das Markenzeichen des 46-jährigen Oldenburger Architekten, der selbst in einem Containerbau wohnt und arbeitet – sein Büro hat er in drei aufeinander gesetzten „Cubes“ eingerichtet. Ihre ursprüngliche Bestimmung sieht man den dunkelgrau gestrichenen Metallkisten erst auf den zweiten Blick an. In die Außenseiten sind runde Fenster geschnitten; die aufgeklappten Türen an der Stirnseite, durch die die Container früher be- und entladen wurden, bilden kleine Balkone.

Innen erinnert nichts an Frachtoptik: die Cubes sind lichtdurchflutet, mit Designermöbeln bestückt, eine stylische Treppe führt nach oben. Es dürfte nicht allzu viele Räume geben, die an zwei gegenüberliegenden Wänden Fenster haben.

Auf die Idee kam Salinger in einem Containerhafen – wo sonst. Es waren allerdings nicht die mit Unterhaltungselektronik, Kleidung oder sonstigem Kram vollgepackten Frachtkästen aus Fernost, die ihn ins Grübeln brachten, sondern die Schlafcontainer der Bauarbeiter am Wilhelmshavener Jade-Weser-Port. Das könne man auch besser machen, dachte er sich, vor allem in energetischer Hinsicht.

Dann machte sich der Architekt an seinen ersten „Cube“. Dass sich die Container neben-, hinter- und vor allem übereinander setzen und wieder verändern lassen, klingt nach unbegrenzten Möglichkeiten. Dabei sind die Grenzen eigentlich ziemlich genau bezifferbar: Gerade einmal zwölf Meter lang ist so ein Container, die Breite beträgt, da die Dämmung innen angebracht ist, gerade einmal zwei Meter. Ballsäle entstehen so nicht, auch wenn sich nebeneinander liegende Container durch Öffnung der Wände bis zu einem gewissen Grad verbinden lassen.

Salinger holt einen Bildband hervor und zeigt Containerbauten in allen erdenklichen Variationen: Es ist offensichtlich vieles möglich mit den Kisten, die – wenn der Boden es zulässt – nicht einmal ein aufwendiges Fundament benötigen: „Manchmal reichen auch schon vier Gehwegplatten an den Ecken.“ Und falls örtliche Baubehörden die metallene Optik bemängeln, lassen sich die Blechkästen auch von außen mit Holz verkleiden. Ab 800 Euro pro Quadratmeter ist der eigene Cube zu haben, dazu kommen Kosten für Transport und Anschlüsse – und das Grundstück.

Doch wozu das Ganze? Abhilfe gegen den Wohnraummangel? Betonung der eigenen Individualität? Der Recyclinggedanke – schließlich haben die Container mindestens eine Seereise hinter sich, die Energie zu ihrer Herstellung ist bereits eingesetzt worden? Wohl von allem ein bisschen. Vor allem aber gehe es ihm darum, „Wohnraum beweglich zu gestalten“, sagt Salinger. Er selbst ist im vergangenen Jahr mit seinem mehrgeschossigen Bürobau umgezogen. Fünf Stunden habe das gedauert, er musste die Möbel nicht einmal herausräumen. Nächstes Jahr zieht er vielleicht wieder um, einfach, weil er es kann.

So richtig angekommen ist das mobile Wohnen in Norddeutschland noch nicht. Der Gedanke, dass man nicht immer groß, nicht immer neu und nicht immer Stein auf Stein bauen muss, müsse sich erst noch etablieren, meint Salinger. Dabei bieten die Container noch in anderer Hinsicht ungeahnte Möglichkeiten: Hat man von ihnen genug, lassen sie sich schneller entsorgen als ein normales Haus.