Berliner Szenen
: Mit Presseausweis

Null Ahnung

Dann fahre ich zum ersten Mal am Bahnhof Zoo vorbei

Öde Ausstellung in der Berlinischen Galerie. Find ich. Dieselbe ältere Frau mit grünem Seidenstrumpfkleid und zu viel Tagesfreizeit, die ich kurz vorher in einer tollen Ausstellung im Gropiusbau (oder im Traum?) gesehen habe, läuft inmitten einer Gruppe interessierter Betrachter wichtig umher.

Warum schaue ich mir eigentlich ständig Kunst an, obwohl ich keine Ahnung von ihr habe, sie gar nicht leiden kann? Dürftige Antwort: le musée pour le musée. Against all Langeweile. To make as much use of my Presseausweis as possible. Shall sich ja auch lohnen, dit funky Teil.

Der Ausstellungswächter in der zweiten Etage wirkt deutlich spannender als die Bronzeskulptur neben ihm, ich ­beobachte ihn vollkommen auffällig über einige Minuten und aus allen Richtungen. 75-jährig, langhaarig (grau, gepflegt verloddert), steht er immer wieder von seinem Stühlchen auf, stiert in die darunterliegenden Etagen, schaut dann einmal um sich und setzt sich wieder. ­

Währenddessen tuschelt er aufgeregt mit sich selbst. Meine Blicke scheint er zu bemerken, sie regen ihn sogar noch an. Der Alte wirkt ein bisschen wie aus dem Seniorenheim entlaufen und strahlt dennoch unendliche Gelassenheit und Gewissheit aus, dass ich mich darin verliere. Das ist schön. Die grüne Frau taucht wieder auf.

Auf dem Rückweg fahre ich das erste Mal in meinem Leben am Bahnhof Zoo vorbei, eine wirklich schreckliche Erfahrung. Ein alter Mann dient meinem Blick als Anker, er schlägt und trommelt mit Schlagklöppeln rhythmisch auf einen orangen BVG-Mülleimer ein – ist das nicht der groovy Museumswärter von eben?

Mein schrottiges Fahrrad schlottert an ihm vorbei, immer weiter durch die Masse, bis zum Müllverbrennungs­etablissement Ruhleben, und verschwindet darin.

Adrian Schulz