THEATER

TheaterEsther Slevogtbetrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen

Im bürgerkriegsgeschüttelten Syrien beginnt 2011 ein junger Mann, auf Facebook Miniaturen über seinen Alltag unter den Bedingungen des Krieges zu veröffentlichen. Oft reicht schon die Statusmeldung aus, um den aktuellen Eindruck zu vermitteln. Manchmal sind es rein familiäre Mitteilungen. Dann wieder geht es um Bombenangriffe auf die keine Stadt Manbidsch, wo der junge Mann mit seiner Mutter lebt. Es gibt Privates und Revolutionäres. Kommentare zur Politik oder der Liebe. Abou Saeed heißt der Mann, der 1983 geboren wurde. Er war zunächst Schweißer und Schmied, bevor er sein Abitur nachholte und in Aleppo ein Wirtschaftsstudium begann. Die wachsende Zahl von Likes und Followern für seine sarkastisch-poetische digitale Kurzprosa machte Saeed zum Internetstar. „Auf Facebook zu gehen, ohne Aboud Saeed kennenzulernen, ist, wie nach Paris zu reisen, ohne den Eiffelturm zu sehen“, schrieb 2012 zum Beispiel die libanesische Tageszeitung Annahar über ihn. 2013 kam eine Auswahl von Saeeds Texten unter dem Titel „Der klügste Mensch im Facebook. Statusmeldungen aus Syrien“ heraus. Saeed lebt inzwischen in Berlin, wird also sogar persönlich anwesend sein können, wenn im Ballhaus Naunynstraße am 25. 11. eine Theateradaption seines Facebook-Buches herauskommen wird. Der Regisseur Karim Chérif hat sie mit der Dramatikerin Azar Mortazavi verfasst. Der Stoff soll „als experimentelle Reflexion des globalisierten Nebeneinanders von Alltag und Extremsituation“ auf die Bühne kommen, wie das Ballhaus in seiner Vorankündigung verspricht, und damitu. a. „die Selbstrepräsentation im digitalen Raum als Überlebensstrategie“ untersuchen (Ballhaus Naunynstraße: „Der klügste Mensch im Facebook“, 25.–28.11., jeweils 20 Uhr).

Ja, das Theater treibt immer wieder einen ziemlichen Aufwand, um seine Relevanz zu unterstreichen, die ihm seit einigen Jahren doch immer wieder abgesprochen wird. Nicht zuletzt von denen, die es finanzieren. So versucht Theater dann oft Sozialarbeit statt Kunst zu machen. Politik zu gestalten statt Theaterabende. Um als politischer Player die scheinbar verlorene Relevanz zurückzuerobern. Doch tut das dem Theater überhaupt gut? Schafft es sich mit solchen Bewegungen nicht weiter selber ab? Mit Fragen wie diesen befasst sich in den Sophiensælen das dreitägige Symposium „Really Useful Theatre“, wo Akteur*innen, Künstler*innen und Kritiker*innen in einer „utopischen Arena“ Manifeste und Standpunkte zum Thema diskutieren (Sophiensæle: „Really Useful Theatre. Useful Theatre vs. Artistic Freedom“, 19.–21. 11. Alle Infos unter www.sophiensaele.com).