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der rote faden Cherry-Cola, Chinaböller und Terror auf die friedliche Art

Kriegsrede

durch die woche mit

René Hamann

Weltkrise und Cherry Cola, ­Trauerkritik und Kritik der Trauerkritik, moderate und nicht so moderate Sofort-Effekte, Stoßzeiten und Selfies mit der Polizei. Seit Freitag vor acht Tagen hat sich die Welt gefühlt achthundertmal um ihre eigene Achse gedreht, und wem jetzt noch nicht schlecht ist, hat vielleicht noch nicht läuten gehört, dass Xavier Naidoo Deutschland beim ESC im nächsten Jahr vertreten soll.

Der französische Präsident François Hollande hat nach den Anschlägen von Paris nicht nur zur Vollversammlung ins Schloss nach Versailles geladen, also beide Kammern des Parlaments zum Kongress, um dort eine majestätische „Kriegsrede“ (Bayernkurier) zu halten. Nein, er rief auch den „europäischen Bündnisfall“ aus. Paris ist ja „die Stadt des Ehebruchs“, das jedenfalls behaupteten die Terroristen in ihrem unbestätigten Bekennerschreiben, vielleicht echauffiert sich der Hobby-Vespa-Fahrer Hollande auch deswegen so.

Immerhin gab es keine Räumung des Schlosses wegen einer Bombenwarnung. Anders als in Hannover, wo die aufklärungsbereite Polizei samt Bundesinnenminister in einem Fußballstadion womöglich Massenvernichtungswaffen vermuteten und den unerheblichen Freundschaftskick mit der niederländischen Nationalmannschaft am Dienstagabend kurzerhand absagten.

Fußball

Eine Politik der vorauseilenden Angst, die die aktuelle Stimmungslage nutzt, um den Überwachungswahn nach den ganzen NSA-Skandalen endlich auch legal durchzusetzen. Weil, es herrscht ja Terrorgefahr. Weitere, konkretere Begründungen braucht es nicht, das würde uns nur verunsichern.

Das wesentlich brisantere Fußballspiel fand unterdessen in London statt: England gegen Frankreich, es gab keine Terrorwarnung, und das ganze Stadion sang gemeinsam die Marseillaise. Der Fußball kehrte tatsächlich für einen Abend nach Hause zurück.

Eine der bezeichnendsten Meldungen der letzten Woche war die folgende: Radja Nainggolan, Spieler der belgischen Fußballnationalmannschaft, wird in einem Antwerpener Hotel für einen Terroristen gehalten, Gäste rufen die Polizei herbei. Die kommt, lacht ein paar mal laut und macht ein Selfie mit ihm. So geht es eben auch.

Multikulti

Trotzdem bezeichnend. Den Notruf bei der belgischen Polizei hat bestimmt niemand getätigt, weil Nainggolan mit Schusswaffen oder vollvermummt im Hotel aufgelaufen war. Vermutlich ging es eher um sein, sagen wir, unbelgisches Aussehen. Wobei es das genuin Belgische ja ohnehin nicht gibt – Belgien ist ein mindestens Dreivölkerstaat, pendelt tragischerweise aber schon seit Längerem zwischen rechten Regionalismen (besonders seitens der Flamen) und halbwegs funktionierendem Multikulti hin und her. Passend dazu ist Brüssel auch die (inoffizielle) Hauptstadt der EU.

Dass sich die Elendsviertel der europäischen Hauptstadt, speziell der Stadtteil Molenbeek, inzwischen als Hort des islamistischen Terrorismus entpuppt, ist vielleicht auch kein Zufall.

Ob es ein Zufall war, dass die Terroristen in Paris das lange Zeit jüdisch geführte Bataclan zum Anschlagsort erkoren und damit auch die ­israelfreundliche Band Eagles Of Death Metal, darüber streiten die Experten noch. Interessant ist in dem Zusammenhang, dass die Betroffenheits­effekte (hier sind wir dann in der Abteilung Trauerkritik) inzwischen über indirekte Kauf­anreize reguliert werden.

Songs gegen den Grusel

Nach den Ärzten, die schon einen Anti-Pegida-Song im Gepäck hatten, als es Pegida noch gar nicht gab, werden jetzt eben die Eagles Of Death Metal an die Spitzen der Charts gehievt. Aber nicht mit einem eigenen Song – dabei wäre ihr Hit „Cherry Cola“ eine wirklich gute Wahl gewesen. Nein, es sollte ihre Version des alten Duran-Duran-Schlagers „Save a Prayer“ sein, vermutlich weil er etwas Religiöses enthält, das Gebet nämlich.

Eine gute Wahl ist das Stück trotzdem. Allein schon wegen der Zeilen „Some people call it a one night stand / But we can call it paradise.“ Da werden sich die Terroristen schön ärgern, wenn sie mit ihren Westwaffen in ihren Westautos durch die Wüste cruisen und das Ding im Autoradio hören. Irgendwo in diesem von Assad bereitwillig zur Verfügung gestellten Riesenbombo­drom des ehemaligen französischen Mandatsgebiets Syrien.

In Paris machen sich Jugendliche mit Migrationshintergrund derweil einen Spaß daraus, Passanten mit China-Böllern zu erschrecken. Das kann man einerseits dumm, schrecklich, grausam finden (wie beispielsweise das Gesamtwerk Xavier Naidoos).

Oder man greift zur Dialektik: Der Grusel wird mit Mitteln des Grusels vertrieben. Terror, aber auf die friedliche Art.

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