Das Ding, das kommt
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Ein Gartenzwerg-Treffen soll in Hannover für Carl Maria von Webers "Der Freischütz" werben: eine erschreckend unoriginelle Aktion Foto: dpa

Zipfelspiele in Hannover

Als Vorglühen für die Premiere von Carl Maria von Webers „Der Freischütz“, die Mitte Dezember sein wird, veranstaltet die Staatsoper Hannover am Samstag ein Gartenzwerg-Treffen. Um die Frage „Was ist deutsch?“, so heißt es zur Begündung des Events, gehe es Carl Maria von Weber in seinem „Freischütz“. Und umgekehrt gelte der „heißgeliebte Gartenzwerg“ wiederum „als Inbegriff all’dessen, was deutsch ist“.

So weit, so unoriginell. Angesichts der erschreckend schlichten Assoziationskette „der Freischütz = deutsch und deutsch = Gartenzwerg“ kann man sich natürlich sorgen, ob auch die Inszenierung in der Rolf-Hochhuth-Ästhetik der 1960er-Jahre stecken geblieben ist. In jener Zeit hatte Theodor W. Adorno die nationalistisch motivierte Deutung des Werks des Eutiner Komponisten als auch der deutschen Oper schlechthin wiederbelebt. Und damals war auch das historisch zuerst in Österreich nachgewiesene Kleinmenschen-Replikat zum Attribut des deutschen Michels avanciert, zu seinem Gips gewordenen Miniatur-Wiedergänger.

Voraussetzung waren zwei Veränderungen im Produktionsprozess: Bis Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Figurinen in den Gärten der Herrenhäuser und der Lustschlösser des Adels verbreitet, später dann auch in den Parks des Geldadels. Ab 1945 aber wurde auf teure Materialien – Porzellan oder gar Marmor – verzichtet, was eine industrielle, arbeitsteilige Fertigung ermöglichte. In seinem familiengeschichtlichen Roman „Herkunft“ hat Oskar Roehler diese Entwicklung am Beispiel des Unternehmens von Erich Freytag im Frankenland schön eingefangen.

Ab den 1960ern in Misskredit geraten, ist der Gartenzwerg seit den 1970ern in fortschrittlichen Kreisen verpönt – und im Laufe der 1980er-Jahre so weit ästhetisch ruiniert, dass ein ironisches Comeback der Gartenzwergnutzung stattfinden kann.

Das setzen Events wie der Osnabrücker Gartenzwergwettbewerb im vergangenen Monat ebenso wie die jetzige Witzveranstaltung der Staatsoper voraus. Dabei hat Norddeutschland keine große Gartenzwergtradition. Selbst die postmoderne Reprise hatte ihr Zentrum in Süddeutschland und der Schweiz, wo sich bereits 1980 die Internationale Vereinigung zum Schutz der Gartenzwerge gründete, während die Spaßguerilla der Front de libération des nains de jardin vor zehn Jahren in Frankreich entstand.

Hannover immerhin verfügt auf dem Wertstoffhof im Stadtteil List über eine Gartenzwergdeponie. Vielleicht lässt sich dort dann die Freischütz-Inszenierung leise entsorgen. bes

Zwergentreffen: Sa, 21. 11., 14 Uhr, vor dem Opernhaus