Privatsphäre

Verbraucher zahlen für Kundenkartenrabatte meist mit persönlichen Daten. Geht es auch ohne die Sammelei?

24 Cent pro Postadresse

Geldmacherei Mit Kundenprofilen lässt sich gutes Geld verdienen. Die EU-Verordnung zum Datenschutz könnte dieses Geschäft noch vereinfachen – und die Bundesregierung arbeitet daran mit

BERLIN taz | Angela Merkel hat die Entwicklung auf den Punkt gebracht. Die Bundeskanzlerin bezeichnete auf einem Kongress in dieser Woche Daten als „Rohstoffe des 21. Jahrhunderts“. Und angesichts dieser Goldgrube dürfe der Datenschutz „nicht die Oberhand“ gewinnen.

Tatsächlich scheint der Datenschutz künftig alles andere als gestärkt zu werden – und die Bundesregierung arbeitet kräftig daran mit. Beobachter der Verhandlungen über eine EU-Datenschutzgrundverordnung, die Ende des Jahres fertig sein soll, beschreiben die deutschen Regierungsvertreter immer wieder als Bremser, wenn es darum geht, starke Datenschutzstandards festzulegen.

Doch schon jetzt sind Sammlung, Auswertung und Verkauf von Daten ein lukratives Geschäftsmodell – online genauso wie offline. Ein Beispiel aus der Datenbank eines der größten Adressvermittler im deutschsprachigen Raum: 671.140 Adressen von Menschen, die im Ein- oder Zweifamilienhaus wohnen, sich für Haus und Garten, Reise und Freizeit interessieren, außerdem zwischen 30 und 60 Jahre alt sind und in Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen leben, hat das Unternehmen in seiner Kartei. 24 Cent kostet die Adresse. Nutzung zwölf Monate, Telefonnummer nicht inklusive. Der Gesamtpreis beläuft sich auf gut 160.000 Euro.

Dass in Zeiten, in denen der Marktanteil von Onlinewerbung stetig zunimmt, auch der Handel mit Postadressen nicht vom Aussterben bedroht ist, hat einen einfachen Grund: Verbraucher fühlen sich von Werbung im Briefkasten weniger gestört als von Tracking-Systemen und Bannern auf Webseiten. Und auch die Aufmerksamkeit für einen Brief ist höher als die für eine Anzeige.

Online sind nicht nur Dienste wie Facebook, sondern auch die großen Werbenetzwerke maßgeblich am Datensammeln beteiligt. Bekannte Unternehmen wie Google gehören dazu und weniger bekannte wie AdScale. Je größer das Netzwerk, je mehr Anzeigen auf je mehr Websites, desto mehr Informationen bekommt es über die Nutzer, die diese Seiten ansurfen.

Sowohl bei Online- als auch bei Werbung per Post gibt es aus Verbrauchersicht vor allem ein Problem: die Profilbildung. Unternehmen erhalten durch das Weiterverkaufen und Zusammenführen persönlicher Daten immer umfassendere Profile von den Nutzern. Die neue Datenschutzgrundverordnung wird das voraussichtlich noch vereinfachen. Denn zur Debatte steht, dass ein Grundprinzip des Datenschutzes fällt: die Zweckbindung.

Demnach müssen Unternehmen ihre Kunden darüber informieren, zu welchem Zweck erhobene Daten genutzt werden. Fällt dieses Prinzip, könnten Firmen zu einem Zweck – beispielsweise den Bezahlvorgang – Daten erheben und diese zu einem anderen – zum Beispiel Werbung – nutzen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband kritisierte, dass ohne Zweckbindung „der Profilbildung zu Werbezwecken und dem Kreditscoring kaum noch Grenzen gesetzt“ seien. SVE