Plötzlich reden wir alle über unsere Werte, die verteidigt werden müssen. Was soll das eigentlich sein?
: Danke, Zouheir

Foto: privat

Eben

von Doris Akrap

Werte, Wurst, Weltkrieg. Werte, Wurst, Weltkrieg. Werte, Wurst, Weltkrieg. Jedes Wort wird leer, wenn man es nur einige Male hintereinander sagt.

Unsere Werte, unsere Werte, unsere Werte ... plötzlich weiß man nicht mehr, was das sein soll. Wurst oder Werte? Werte? Die haben ja noch nicht mal einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Den gibt es interessanterweise nur für „Wertvorstellungen“.

Von vielen dieser Vorstellungen, die in den letzten Tagen kursieren, will man lieber gar keinen Wikipedia-Artikel lesen. Aber derzeit kommen ja auf einen Terrorexperten locker 100 Werteexperten, die den fehlenden Wikipedia-Artikel ersetzen wollen.

Und man beginnt zu fragen: Gehört zu unseren Werten auch die Hoffnung, der Anschlag von Paris möge der Diskussion über muslimische Jugendliche eine „frische Richtung“ geben (Matussek)? Gehört zu unseren Werten auch der Wille, Kanzler zu werden und dafür über Leichen zu gehen (Söder)?

Gehört zu unseren Wertvorstellungen der Wunsch, Islamisten zündeten eine Bombe in Berlin, damit hier endlich kapiert werde, was Sache sei (Internet, Leserbriefe)?

Oder sind das alles Wertvorstellungen, die ein Werteexperte als nicht allzu weit weg von den Vorstellungen anderer bewerten würde. Nämlich derer, die Massaker organisieren, durchführen und ihre Propaganda betreiben im Auftrag oder Namen einer Organisation, die Leute köpft, steinigt, an Laternen aufhängt, erdolcht oder erschießt, und zwar wegen des einzigen Werts, um den es ihnen geht: damit die anderen endlich kapieren, was Sache ist.

Ich bin kein Experte. Auch ich habe keine Ahnung, wie man den IS kleinkriegt. Dafür zahle ich ja Steuern, damit Experten sich darüber Gedanken machen. Ob meine Steuergelder allerdings bisher vor allem dafür verschwendet wurden, um an Vorschriften über die Lebensmittelkennzeichnung israelischer Waren zu arbeiten statt an Konzepten, wie man dem Terror endlich den Ölhahn zudreht, weiß ich nicht genau.

Was ich weiß, ist, dass es Leute wie Zouheir gibt. Zouheir heißt der Mann, der verhinderte, dass es im Stade de France zu einem Blutbad gekommen ist. Zouheir heißt der Mann, der den Wert vertritt, dass jemand mit Bombengürtel kein Fußballstadion betreten darf. Zouheir ist nach allem, was wir wissen, Angestellter einer Sicherheitsfirma und muslimischen Glaubens.

Jeder, der schon mal auf einer ähnlichen Großveranstaltung war, kennt diese Sicherheitsleute. Oft, sehr oft sind das Menschen mit Migrationshin­tergrund. In dieser Branche kommen viele zu einer Anstellung, die ihnen in anderen Bereichen verwehrt oder erschwert wird.

Es kostet nicht viel, davon zu sprechen, dass unsere Werte angegriffen und jetzt verteidigt werden müssen und dass man wünschte, auch in Bagdad, Beirut oder Aleppo würde wieder so gefickt, gesoffen und getanzt werden können wie bei uns.

Ich warte aber trotzdem darauf, dass sich die Söders, Matusseks und all die anderen Knalltüten bei Zouheir dafür bedanken, dass er seine Werte verteidigt hat.

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