Czaja soll endlich handeln

Asyl II Jede Nacht warten Babys und Kinder vor dem Lageso. Eine kindeswohl- gefährdende Situation, kritisiert die Bezirksjugendstadträtin von Mitte

Auf dem ersten Platz in der Warteschlange am Eingang zum Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) sitzt eine Frau mit einem etwa fünfjährigen Jungen, sie haben sich eine Decke um die Schultern gelegt. Es ist Nacht, kurz vor halb zwölf. Das Lageso wird erst in etwa neun Stunden öffnen, auf der Straße vor dem Gelände warten allerdings schon jetzt rund 200 Menschen. Und jede Nacht sind auch Kinder, Jugendliche und Babys unter den Wartenden.

Damit verstößt der Senat fortgesetzt gegen geltendes Recht, kritisiert Sabine Smentek, Bezirksjugendstadträtin von Mitte. Die Situation vor dem Lageso in der Nacht gefährde die Gesundheit und das Kindeswohl, schrieb sie in einem Brief an Sozialsenator Mario Czaja (CDU). Sie forderte den Senator dazu auf, die Zustände bis Ende der Woche „durch geeignete Maßnahmen“ zu beseitigen.

Dass Kinder und Jugendliche überhaupt nachts am Lageso sind, dafür gibt es zwei Gründe. Eltern, die morgens dort einen Termin haben, stellen sich teilweise schon um 23 Uhr am Vortag mit ihren Kindern vor den Eingang des Geländes an. Außerdem kommen fast jede Nacht unbegleitete minderjährige Flüchtlinge dort an.

Das Lageso vergibt Termine an Flüchtlinge, deren Kostenübernahme für eine Unterkunft verlängert werden muss oder die sich Taschengeld auszahlen lassen wollen. Alle Termine sind für 9 Uhr. Meist schaffen die Mitarbeiter es aber nicht, alle Termine für den Tag abzuarbeiten. Wer sich möglichst früh vor dem Gelände einfindet, hat also bessere Chancen, auch tatsächlich dranzukommen. Ein solches „Vorab-Anstellen“ sei daher für die sogenannten Terminkunden durchaus „notwendig und rational“, schreibt Smentek.

Psychischer Druck

Smentek sagte der taz, sie habe inzwischen mit Flüchtlingskoordinator Dieter Glietsch gesprochen, er nehme den Kinderschutz sehr ernst. „Glietsch will in den Unterkünften nun besser darüber informieren, dass Kinder nicht zu allen Vorsprachen mitgebracht werden müssen“, sagte Smentek. Die Verwaltung müsse dabei auch den psychischen Druck, unter dem Flüchtlinge stünden, berücksichtigen. So wollen beispielsweise Kinder mitunter eben unbedingt bei den Eltern bleiben.

Am Lageso ist nun ein Info-Point eingerichtet, der rund um die Uhr besetzt sein sollte, bisher jedoch eher unregelmäßig geöffnet ist. Deshalb kümmern sich nachts weiter Ehrenamtliche darum, dass Kinder noch eine Unterkunft bekommen oder mit einem Elternteil in ihre Unterkunft zurückkehren.

Für minderjährige, allein reisende Flüchtlinge ist eine gesonderte Erstaufnahmestelle in Zehlendorf zuständig. Auch hier springen regelmäßig Ehrenamtliche ein, die spät ankommende Jugendliche noch nachts dort hinfahren. „Wir bemühen uns sicherzustellen, dass es auch nachts möglich ist, für solche Fälle jemanden zu erreichen“, sagte ein Sprecher der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. Solange der Info-Point noch nicht rund um die Uhr besetzt sei, müsse man möglicherweise mit Moabit hilft zusammenarbeiten, sagte er.

Kritik äußerte auch der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Thomas Isenberg. „Diese Situation ist nachts so nicht haltbar, in keinster Form“, sagte er im rbb-Inforadio. „Ich erwarte, dass die Senatsgesundheitsverwaltung das menschenwürdiger löst.“ Am Donnerstag werde sich das Abgeordnetenhaus damit beschäftigen.

Smentek hatte sich bereits Mitte Oktober mit einem Brief an Sozialsenator Czaja (CDU) gewandt und die Situation vor dem Lageso als kindeswohlgefährdend gebrandmarkt. Bei einem Besuch habe sie sich überzeugt, dass sich die Situation tagsüber verbessert habe. Sie werde das Lageso nun an seinen Taten messen, sagte Smentek. Uta Schleiermacher