Über den Niedergang der Institution Museum

Vortrag Der französische Kunsthistoriker Serge Guilbaut sprach an der TU über das postmoderne Museum als Logo und Marke

Da war er nun, der als „Kampf-Kunsthistoriker“ und „Weltstar“ vorgestellte Mann, der sich schon in den 1970ern im strukturkonservativen Fach der Kunstgeschichte als Marxist einen Namen machte: Serge Guilbaut, ein ergrauter, wenngleich lebhaft sprechender Professor emeritus der Universität Vancouver. Bei seinem mit heftigem französischen Akzent auf Englisch gehaltenen Vortrag in der TU Berlin am Montagabend sollte es um sein Lieblingsthema gehen: die Malaise mit dem Museen im „postmodernen Labyrinth“ unserer Tage.

Museum als leeres Zeichen

Guilbauts Kritik gilt allerdings nicht dem Museum als solchem: „Wogegen ich bin, ist der Missbrauch des Museums als Logo oder Marke, gegen das Museum als Wunder der Architektur, das leicht erkennbar in der Stadtlandschaft, aber oft ohne Ideen ist. Ich bin, um es anders zu sagen, gegen Museen als leere Zeichen“, meinte Guilbaut, und so stand es ja als Zitat bereits auf der Einladungskarte.

Guilbaut will nicht zurück in eine Zeit, da das Museum ein fast privater Ort für ein elitäres Publikum war, das unter strikter Aufsicht von Wachpersonal eine von Experten zusammengestellte Auswahl der immer gleichen Meisterwerken huldigt. Der Museumsbesuch noch in der Nachkriegszeit, mit der sich Guilbaut als Forscher und Autor intensiv beschäftigt hat, trug ja Züge eines Rituals. Wobei das Museum in der Darstellung des künstlerischen Fortschritts wie eine Kirche funktionierte. Das Guggenheim-Museum in New York mit seiner in die Höhe führenden Spirale inkorporiere den Pilgerweg zum Allerheiligsten gleich mit, so Guilbaut. Am Ende des permanenten Aufstiegs vorbei an den französischen Größen der Kunstgeschichte steht dann Jackson Pollock, der Vollender der Moderne aus Amerika. So weit die Fabel „How New York Stole the Idea of Modern Art“, die Guilbaut bereits vor über 30 Jahren in Buchform vorstellte.

Die Frage nach dem Museum stelle sich aber heute erneut: Warum brauchen wir es? Die Verhältnisse haben sich ja inzwischen grundlegend gewandelt: Heute sei das Problem nicht, dass die Museen zu wenig Publikum hätten, sondern zu viel. Heute fungierten die Museen als „digest of art“, eine Art ‚Best of‘der Kunstgeschichte.

Touristischer Kunde

Kunde des Museums sei heute nicht mehr der Bildungsbürger, sondern der Tourist. Die Auslieferung des Museums an die touristischen Massen hätte allerdings fatale Folgen. Der Kunsttempel von einst würde als Unterhaltungsmaschinerie von den heutigen Konsumtempeln kaum noch unterscheidbar. In Shopping Malls begegne man inzwischen schon Guided Tours wie sonst im Museum. Wegen der ökonomischen Bedeutung von Museen – auf Umwegen auch für die Städte – heiße die Devise des Museumsmanagements heute: Large places for large money. Womit dabei Geld verdient werde, sei letztlich fast egal. Die Deterritorialisierung in postmodernen Zeiten sorge dafür, dass auch Mode, Design oder Shopping ins Museum Einzug gehalten hätten. Dabei, so Guilbauts Credo, müsse es darum gehen, das Museum in eine Forschungseinrichtung zurückzuverwandeln, „an dem wir erfahren, was war“. Darüber müsse in Museen diskutiert werden können. „Ich bin für Fights“, bekannte Guilbaut. An diesem Abend wurde dem Diskurskombattanten allerdings vom entzückt lauschenden Publikum ausdrücklich nicht widersprochen. Ronald Berg