Ohne Schweröl-Ruß über die Ostsee

MOBILITÄT Zwischen Finnland und Schweden nimmt erstmals ein großes Fähr- und Kreuzfahrtschiff mit Flüssiggasmotor den Linienverkehr auf. Viel weniger Luftverschmutzung als bei traditionellem Antrieb

Flüssiggasschiffe stoßen noch relativ viel klimaschädliches Methan aus

STOCKHOLM taz | Ab Mitte Januar kann man „grüner“ über die Ostsee reisen. Am Wochenende ist Jungfernfahrt, und danach verkehrt die „Viking Grace“, das laut Werft und Reederei „umweltfreundlichste Kreuzfahrtschiff der Welt“, dann täglich mit bis zu 2.800 Passagieren zwischen Stockholm und dem finnischen Turku. Neu für ein Schiff dieser Größe ist der Antrieb. Die Maschinen laufen nicht mehr mit dreckigem Schweröl, sondern das Fähr- und Kreuzfahrtschiff wird mit Flüssiggas (LNG, liquefied natural gas), auf minus 162 Grad Celsius gekühltes Erdgas, betrieben.

Mit dem LNG-Antrieb sinkt der CO2-Ausstoß um etwa 25 bis 30 Prozent gegenüber den derzeit in der Ostsee üblichem Antrieb mit Schweröl. Der Schwefelausstoß liegt fast bei null, und es werden etwa 85 Prozent weniger an Stickoxiden und Feinstaub freigesetzt. Auch ein neues Design für den Schiffsrumpf und die Verwendung leichter Materialien wird zu einem Senken des Treibstoffverbrauchs beitragen. Auch wenn die Umweltbilanz insgesamt positiv ist, sinkt unter dem Strich der Ausstoß an Treibhausgasen aber nur um 10 bis 15 Prozent, weil die jetzige LNG-Antriebstechnik mehr Methan freisetzt als Schweröl. Und das Treibhauspotenzial von Methan ist deutlich höher als das von Kohlendioxid.

Lag bei LNG-Schiffsantrieben, die die norwegische Klima- und Umweltschutzdirektion Klima-og forurensningsdirektoratet (Klif) vor zwei Jahren untersuchte, wegen dieser Methanfreisetzung der Treibhauseffekt sogar um 20 bis 40 Prozent höher als bei herkömmlichem Treibstoff, beruhte das vor allem auf noch unfertiger Technik: Die hauptsächlichen beiden Hersteller von LNG-Schiffsmotoren, Rolls Royce und die finnische Wärtsilä Ship Power, arbeiteten zunächst mit umgebauten Dieselmotoren und hatten dabei weniger den Methan- als den Kohlendioxid- und Stickoxidausstoß im Auge gehabt. Bei der „Viking Grace“ konnte man mit geänderten Zylinder- und Ventilkonstruktionen die Verbrennung weiter verbessern und den Methanausstoß so um 50 Prozent senken. Doch es besteht Potenzial für weitere Verbesserungen. Theoretisch könnten laut dem Klif-Schifffahrtsexperte Eilev Gjerald ideale LNG-Motoren, gemessen in CO2-Äquivalenten, nämlich gegenüber Dieselmotoren einen bis zu 30 Prozent niedrigeren Klimagasausstoß erreichen.

Das Problem der Schiffsbauer und Konstrukteure: Der Markt ist noch zu klein. Abgesehen davon, dass es noch weithin an der Infrastruktur zur Flüssiggasversorgung in den Häfen fehlt, schrecken die Reedereien vor den höheren Kosten für LNG-Schiffe zurück. Auch die „Viking Grace“ wäre vermutlich ohne die Subventionen, die der finnische Staat in Form einer Umweltbeihilfe in Höhe von 28 Millionen Euro – mehr als ein Zehntel der Baukosten – gewährte, nicht gebaut worden. Subventionen zahlt auch der norwegische Staat. Dort verkehren mittlerweile mehrere LNG-Auto- und -Passagierfähren. Die bislang größten nahmen zum Jahreswechsel den Verkehr zwischen dem Festland und der Inselgruppe der Lofoten auf.

LNG-Fähren und -Kreuzfahrtschiffe seien bei Weitem nicht ideal, aber die „am wenigsten schlechte Alternative“, meint Christer Ågren vom Klimasekretariat Airclim in Göteborg. Erdgas könne ein Rolle als Übergangslösung spielen und die technische Entwicklung hin zu Biogasantrieben und anderen erneuerbaren Treibstoffen vorantreiben. Ågren: „Eine fossilfreie Schifffahrt ist möglich. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.“

REINHARD WOLFF