Keine Pause nach dem Wahlsieg der AKP

TÜRKEI Drei Tote bei Auseinandersetzungen im Osten, eine Ausgangssperre und Festnahmen

PKK, Gülen-Bewegung und Medien im Visier der Regierung

ISTANBUL taz | Drei Tage nach dem Wahlsieg der AKP und Präsident Recep Tayyip Erdoğans gehen die Kämpfe im Südosten der Türkei unvermindert weiter. Drei Zivilisten in Diyarbakır und der Provinz Hakkari wurden am Dienstag und Mittwoch getötet, als die Polizei dort Barrikaden der kurdischen Guerilla PKK angriff. Im Stadtteil Silvan in Diyarbakır wurde daraufhin erneut eine Ausgangssperre verhängt, alle Geschäfte blieben geschlossen.

Die Zivilisten gerieten sowohl in Silvan wie in Yüksekova, einer Kleinstadt in der Provinz Hakkari, ins Kreuzfeuer der Gendarmerie und der PKK, als die Gendarmerie Barrikaden abreißen wollte, die von Angehörigen der PKK-Jugendorganisation dort in den letzten Wochen im Rahmen ihres Konzepts von autonomen Zonen errichtet worden waren.

Nach Ankündigung des AKP– Sprechers Ömer Çelik werden Polizei und Armee überall in den kurdisch besiedelten Gebieten in den nächsten Wochen die öffentliche Ordnung wiederherstellen. Die kurdisch-linke Partei HDP hat die Regierung nach ihrem Wahlsieg aufgefordert, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, doch Çelik wies dies zurück. Die Verhandlungen sollen so lange eingefroren bleiben, bis die PKK ihre bewaffneten Aktionen in der Türkei vollständig eingestellt hat. Durch die Angriffe auf Polizei und Armee in den vergangenen drei Monaten hat sich die PKK nach Ansicht von Çelik für Verhandlungen disqualifiziert. Die PKK-Kämpfer hätten damit auch ihren Führer Abdullah Öcalan, der zuvor mit der Regierung verhandelt hatte, desavouiert. Einer Wiederaufnahme der Gespräche mit Öcalan messe die Regierung deshalb kaum noch einen Wert bei, sagte Çelik.

Doch nicht nur im Umgang mit der PKK setzen Erdoğan und seine Regierung weiter auf Gewalt. Auch der zweite große „Feind“, die islamische Gülen-­Bewegung, wird weiter gnadenlos verfolgt. Ausgerechnet in Izmir, der einzigen türkischen Metropole im Westen, die die AKP nicht gewinnen konnte, wurden bei einer Großrazzia über 40 angebliche Gülen-Anhänger festgenommen. Bei den in der Woche vor der Wahl beschlagnahmten Gülen-nahen Zeitungen Bugünund Milletund den beiden Fernsehkanälen Bugün TV und Kanal-Türk wurden unterdessen 71 Journalisten gefeuert und alle vier Medien auf Jubelkurs für Erdoğan gebracht.

Auch andere Publikationen müssen mit dem Staatsanwalt rechnen. Der Chefredakteur der Wochenzeitung Nokta, Cevheri Güven, und sein Geschäftsführer Murat Çapan wurden am Dienstag wegen einer unliebsamen Titelseite festgenommen und dem Haftrichter vorgeführt. Beide sitzen in U-Haft. Auf der Titelseite, versehen mit einem Foto Erdoğans, stand: „Jetzt beginnt der Bürgerkrieg“. Jürgen Gottschlich