Durchhalten ist keine Lösung

OFF-THEATER Die Bühnenfassung von Mike Bartletts Hörspiel „Nachwehen“ spielt in einerpost-privaten Ära und gerät selbst durch einen allzu deutlichen Höhepunkt nicht ins Straucheln

Emma ist keine naive Unschuld, die vom System gefressen würde

Ob der Sex mit dem Kollegen gut war, will die Personalchefin von Emma wissen. „Ja? Einfach gut? Er hat mir eben sehr gut gesagt.“ Für die Personalakte wird ein Mittelwert gebildet. Dass Privatsphäre ein schützenswertes Gut sein könne – von dieser Idee verabschiedet sich Mike Bartletts Stück „Nachwehen“ bereits in den ersten Minuten. Doch der eigentlich Horror kommt erst noch.

Die Bühnenfassung des Hörspiels fokussiert auf den Dialog der beiden Frauen. Durchgehend auf der Bühne zu sehen ist aber nur Susa Hansen, als amoralische Managerin. Sie befragt die Angestellte nach Persönlichem, lässt sie einst unterschriebene Vertragsklauseln rezitieren und entlässt sie wieder, um kurz Akteneinträge abzuhaken. Dann wieder: „Emma bitte.“

Und Emma kommt. Angela Weinzierl gelingt es mit schmerzhafter Treffsicherheit, Emmas sukzessiven Zusammenbruch zu spielen – von dem Moment an, wo ihr ehrlich freundliches Lächeln erstmals gefriert. Die Personalmanagerin bekommt davon nichts mit, denn Emma sitzt meist mit dem Rücken zu ihr und spricht ins Publikum. Emma macht alles mit, beantwortet jede Frage und versucht, sich selbstbewusst und schlagfertig durch das Verhör zu bewegen, um ihren Job zu behalten.

Nur lügen tut sie nicht. Und Emma ist auch keine naive Unschuld, die von einem menschenfeindlichen System gefressen würde. Sie trägt die kleinen und großen Kämpfe offen aus, argumentiert bald selbst mit den sperrigen Definitionen des Arbeitsvertrags. Emma will Rückgrat beweisen und scheitert eben darum. Denn wer im Rahmen dieses Systems Recht behält, der kann nur falsch liegen.

Das buchstabiert Jonathan Pröslers Inszenierung in aller Gründlichkeit durch. Das gelingt auch über ein kurzes Straucheln hinweg, als eine Katas­trophe jenseits der Arbeitswelt über Emma hereinbricht. Der Tod ihres Kindes erscheint in Pröslers Untergangsgeschichte zu deutlich als ein Höhepunkt, den es gar nicht gebraucht hätte.

Denn ob Emma den Sohn selbst getötet und biblisch der Karriere geopfert hat, spielt im Grunde keine Rolle. Dass eine Geschichte wirkt und funktioniert, ohne solche Fragen zu beantworten, ist gespeist von einem Unbehagen jenseits der Bühne. Es mag sich inzwischen herumgesprochen haben, dass die Arbeitswelt uns nicht nur Gutes will. Doch es hat immer noch etwas Aufrührerisches, mit der fixen Idee zu brechen, man könne sich da doch irgendwie gut einrichten, wenn man nur im Herzen man selbst bleibt – und hier und da einen wohldosierten Kompromiss einlegt. JPK

Termine: 7. und 21. 11., 20 Uhr, AMS!-Theater, Fehrfeld 26