THEATER

TheaterEsther Slevogtbetrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Er hatte ein symbolträchtiges Geburtsdatum, der im Sommer so überraschend gestorbene Bühnenbildner Bert Neumann. Denn er ist am 9. November geboren, was nicht nur das Datum des Mauerfalls, sondern auch das der antisemitischen Pogrome der sogenannten Kristallnacht im Jahr 1938 war. Am 9. November 1918 ging mit der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. das Kaiserreich, aus dessen Trümmern sich die Weimarer Republik erhob. Ja, und am 9. November 1960 wurde in Magdeburg der Bühnenbildner Bert Neumann geboren. Neumann, der speziell durch die Bühnenbilder für Frank Castorf und René Pollesch berühmt wurde. Und durch sein legendäres Volksbühnenlogo. In dem Maße wie Bert Neumann hat wahrscheinlich nur noch John Heartfield den Begriff verändert und geprägt, was Bühnenbild als von der Regie autonome Kunstform vermag und wie sie das Theater medial neu zu denken in der Lage ist. John Heartfield, ohne dessen multimediale Bühnenbilder die epochalen und revolutionären Inszenierungen von Erwin Piscator in den 1920er Jahren undenkbar gewesen wären. Und der übrigens ebenfalls ein legendäre gewordenes Theaterlogo erfand: die diskret geschwungenen Lettern DT des Deutschen Theaters, die seit 1950 im Giebel über dem Haupteingang erhalten geblieben sind. Ein halbes Jahrhundert und sieben Intendanzen lang ist das Theater in der Schumannstrasse unter diesem Logo gesegelt. Und seine Ersetzung im Jahr 2001, als Bernd Wild die Intendanz des Deutschen Theaters übernahm, war eine ebenso identitätspolitische Radikaloperation, wie es wohl die Ersetzung von Bert Neumanns Volksbühnen-Räuberrad sein wird, wenn Chris Dercon 2017 das Theater übernehmen wird. Doch vielleicht haben die Nachfolger von Frank Castorf und Bert Neumann ja auch die Größe und eigene Identität genug, um Bert Neumanns Volksbühnenlogo nicht im ersten Bildersturm sofort zu demontieren. Bert Neumann wäre am 9. November 55 Jahre alt geworden und die Volksbühne nimmt sich dieses Datum zum Anlass für ein großes Geburtstagsabschiedsfest am Rosa-Luxemburg-Platz für diesen wirklich großen Künstler: „Do you see the rabbit on the roof? Geburtstagsparty für Bert Neumann.“ (Volksbühne, 9. November, ab 22 Uhr).

Ja, und drei Tage zuvor kommt Frank Castorfs Marathon- Inszenierung „Karamasow“ heraus, die auf der Basis von Dostojewskis monumentalem letzten Roman „Die Brüder Karamasow“ entstanden ist, und für die Bert Neumann im Zuschauerraum der Volksbühne sein letztes Raumgesamtkunstwerk schuf (Volksbühne: „Karamasow“, Premiere 6. 11., 18 Uhr).