zwischen den rillen
: Dringlich empfohlene Zeitzone

Wand: „1000 Days“ (Drag City/Rough Trade)

„Die Zukunft“, meinte der bayerische Krummdenker Karl Valentin einst, „war früher auch besser“. Was nun eine Einschätzung ist, die man wieder mal überprüfen muss. Es gibt da also ein neues Album von Wand, immerhin bereits das dritte dieser Band aus Los Angeles seit deren Debüt im August 2014. Dieses neue, „1000 Days“ betitelte Werk aber darf man mit Fug und Recht visionär nennen in Bezug auf musikalische Entwicklungsmöglichkeiten.

Allerdings muss man für die bei den „1000 Days“ versprochene Menge an hoffnungsfroher Zukunft einen Trick – der Bandname Wand übersetzt sich dankenswerterweise mit Zauberstab – anwenden: Beim Hören des Albums geht man raus aus der bequemen Gegenwartsperspektive und zurück.

Dringlich empfohlene Zeitzone für „1000 Days“ ist 1967, als die Hemden im Pop plötzlich bunter und überhaupt andere Farben ins Spiel kamen, weil nun der psychedelische Pop das heißeste Ding der Stunde war, damals im Sgt.-Pepper-Jahr 1967, in dem mit „The Piper at the Gates of Dawn“ auch das Debüt von Pink Floyd veröffentlicht wurde.

Mit den um die Melodien sortierten kleinen Blubber- und Quengelgeräuschen und einem mit reichlich Hall unterlegten Gesang haben Wand die musikalische Grundstimmung dieser Zeit aufgenommen.

Treibende Garagenrocker sind zu hören mit dieser Lässigkeit, wie das sonst nur die Kinks hinbekommen haben. Noch hallte ja mächtig der Beat in diese neue Zeit, 1967, und daneben gab man sich, durchweg experimentell gestimmt, heftigen instrumentalen Ausschweifungen hin: Das ­Floyd’sche „Interstellar Overdrive“ hört bei „1000 Days“ auf den Titel „Dovetail“.

Und tatsächlich visionär in die einst lockende Zukunft geht es bei Wand dann mit den vielen Einlassungen, die liebevoll all die epochalen Entwicklungen nachzeichnen, die der psyche­delisch gestimmte Pop entscheidend angeregt hat.

Vom versponnenen Folk-Appeal der frühen T.Rex ist zu hören, man spürt das musikalische Make-up, mit dem Bowie den Glam Rock in die Spur brachte, auch die Fortsetzung von Psychedelic-Rock mit kunstsinnigeren Mittel im Prog-Rock wird exemplarisch skizziert.

Wenn man noch weiter in das Wand-Album hineinhorcht, meint man sogar die Winkelzüge der Dukes of Stratosphear zu hören, mit denen die Mitte der achtziger Jahre den psyche­delischen Pop präzise entlang der historischen Vorgaben noch mal erfunden haben. So viel vielversprechende Zukunft war da mal.

Das alles ist von der Band aus Los Angeles detailreich nachgearbeitet, ohne sich damit für authentizitätsgläubige Sixties-Retrozirkel empfehlen zu wollen. Schließlich stehen Wand in einem engen Zusammenhang mit anderen interessanten kalifornischen Künstlern und Bands wie Ty Segall oder White Fence, die durchaus die schon mal angespielten Möglichkeiten aus dem großen Popgeschichtenbuch für einen absolut gegenwärtigen Gebrauch weiterspinnen.

Im Vergleich zu ihren früheren Alben verzichten Wand dabei auf den härter rockenden Zugriff und setzen auf geschmeidige Songs, die gern was leicht Theatralisches haben im Gestus. So einen kleinen abgespreizten Finger, der einen beim Hören anstupst, dass sich die zwingende Unmittelbarkeit, mit der der psychedelische Pop damals, 1967, in der Zeit stand, bei aller Kunstfertigkeit sich eben schlicht nicht rekonstruieren lässt.

Diesen kleinen, distanzschaffenden Stachel mit im Angebot zu haben, ist schon wieder ziemlich kunstvoll. Außerdem kann man die „1000 Days“ von Wand natürlich auch ohne historisches Bewusstsein mit einigem Gewinn hören, wenn man nur etwas Gefallen an gut gebauten Melodien, der Leitwährung im Pop, hat. Thomas Mauch