Die Wortkunde
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Horst Seehofer (CSU) beschwört die Katastrophe herauf. Bis Allerheiligen (kommenden Sonntag) will er abwarten, ob Berlin auf seine Forderungen reagiert. Merkel („Wir schaffen das“) soll die Zuwanderung begrenzen und Österreich verbieten, die Flüchtlinge nach Bayern durchzuwinken. „Sollte ich keinen Erfolg haben, müssen wir überlegen, welche Handlungsoptionen wir haben“, sagte Seehofer der Passauer Neuen Presse. Dumm nur: Die Flüchtlingsfrage ist Chefinnensache. Da hilft auch angestrengtes Nachdenken nichts – aller angedrohten „Notwehrmaßnahmen“ zum Trotz. Hier von NOTWEHR zu sprechen ist dennoch interessant.

Der Begriff ist dem Strafrecht entliehen. Er bezeichnet „Gewalt, die ausgeübt wird, um einen Angriff abzuwehren, und die nicht bestraft wird.“ Es handelt sich also um einen Akt der Verteidigung. Dazu bedarf es eines Angreifers, eines Aggressors, jemands, der angefangen hat. Wer aber ist das? Die Flüchtlinge? Menschen, die ihrerseits vor etwas fliehen – sich also ebenfalls einer Not erwehren?

Spannend ist auch die Straffreiheit, die der Akt der Notwehr impliziert. Dass Seehofer rechter Hetze und Fremdenfeindlichkeit mit seiner Rhetorik Vorschub leistet, geschieht demnach im Affekt. Konsequenzen fürchten muss er nicht. Allerheiligen wiederum ist ein christliches Fest, bei dem aller Heiligen gedacht werden soll – auch derer, um deren Heiligkeit niemand weiß als Gott. Seehofers Feiertag wird das sicher nie.

Marlene Halser