„Es gibt kein Bilderverbot“

Vortrag Die Ablehnung von Bildern ist in der islamischen Praxis gewachsen, sagt Silvia Naef

Silvia Naef

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56, ist Islamwissenschaftlerin an der Uni Genf und war Gastwissenschaftlerin an der Uni Göttingen.Foto: privat

taz: Frau Naef, warum verstehen Muslime bei Karikaturen so wenig Spaß?

Silvia Naef: Das möchte ich nicht verallgemeinern. Vielen Muslimen ist das wahrscheinlich einfach egal. Aber die, die auf solche Karikaturen reagieren, empfinden sie als Beleidigung. Das hat sicher mit der Situation zu tun, wie Muslime heute in Europa leben.

Inwiefern?

Sie werden nicht unbedingt legal diskriminiert, aber oft ausgeschlossen. Das verstärkt emotionale Reaktionen. Außerdem verstehen Menschen, die religiös sind eben wenig Spaß, wenn es um die Figuren geht, die sie respektieren. Das ist bei den Katholiken genauso.

Geht es beim Ärger um die Karikaturen um die Kritik, die darin mitschwingt oder um das Bilderverbot im Islam?

Die Karikaturen haben mit dem sogenannten Bilderverbot wenig zu tun. Eigentlich gibt es weder in den Texten des Korans, noch in den Überlieferungen des Propheten Mohammed, den Hadithen, ein ausdrückliches Verbot, den Propheten darzustellen. Die Ablehnung von Bildern ist vielmehr eine historisch gewachsene Einstellung.

Warum sollen Muslime den Propheten nicht darstellen?

Es gibt ein Verbot der Götzenanbetung. Ein Bilderverbot per se ist das nicht.

Trotzdem gibt es in Moscheen kaum Bilder von Menschen oder Tieren.

Ja, weil man im Islam Gott nicht abbilden und nicht zu anderen Gottheiten beten soll. Diese Eigenart findet sich nicht nur im Islam. Das ist im Judentum genauso. Ín Synagogen gibt es auch keine Bilder. Das gilt auch für bestimmte Richtungen des Christentums. In einer calvinistischen Kirche gibt es nicht einmal Kreuze.

Geht es nur um religiöse Bilder oder auch um Malerei?

Es geht nicht um religiöse Bilder, sondern um Bilder in der religiösen Praxis. In der katholischen Kirche beten Menschen zum Bild der Madonna. Bei den Katholiken gehört das dazu, im Islam eben nicht. Profane religiöse Bilder aus dem Alltag hingegen gibt es: Fresken, Miniaturmalereien, Dekor auf Keramikgefäßen – aus allen Regionen der islamischen Welt. Die Menschen haben solche Bilder zu Hause und nicht in der Moschee. Von einem allgemeinen Bilderverbot kann deshalb nicht gesprochen werden.

Interview: rea

Vortrag „Bilder/kämpfe in Kunst, Medien und dem Unbewussten“, 19 Uhr, HFBK Hamburg, Lerchenfeld 2