Leben an der Schwelle zur Demokratie

Kino Der Dokumentarfilm „Myanmar Goes DemoCrazy“ begleitet Menschen zu Beginn von Birmas politischem Umbruch

Ein Mönchsaktivist in „Myanmar goes Democrazy“ Foto: Grand Pictures

„Wird Birma wirklich demokratisch, gehe ich zurück“, sagt Aung Aung. Als Schüler erlebt er 1988, wie die Militärjunta Demonstranten massakrierte. Später muss der Junge fliehen. Inzwischen ist er 38 und arbeitet schon seit Jahren auf einem thailändischen Fischkutter. Dessen Mannschaft besteht bis auf den Kapitän aus birmesischen Flüchtlingen.

An diesem 8. November wird in Birma, dem von den Militärs in Myanmar umgetauften Land in Südostasien, ein neues Parlament gewählt. Ungewählte Militärs bekommen von vornherein ein Viertel der Sitze und damit eine Sperrminorität. Doch mit den restlichen Mandaten sind Hoffnungen auf weitere demokratische Reformen verbunden.

Die letzte landesweite Wahl im November 2010 war noch eine Farce. Die Nachwahl für 46 Sitze im April 2012 war schon demokratischer. 43 Sitze gewann die Partei der oppositionellen Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Damals berichtete die Journalistin Aye Aye Zin vom Wahlkampf der Hoffnungsträgerin. Die Reporterin ist neben Aung Aung eine der fünf ProtagonistInnen in Daniel Grendels Dokumentarfilm „Myanmar Goes DemoCrazy“.

Der 90-minütige Film begleitet fünf Birmesen durch den beginnenden politischen Wandel des jahrzehntelang autoritär regierten Landes. Alle fünf wünschen sich politische Reformen. Sie haben in unterschiedlichem Maß unter der bisherigen Diktatur gelitten und sich auf verschiedene Art gewehrt.

Aye Aye Zin hetzt sich ab, um Fotos von Aung San Suu Kyi im Wahlkampf machen zu können. Diese war erst wenige Monate zuvor aus dem Hausarrest entlassen worden. Fotos von ihr waren jahrelang ein Tabu gewesen. Jetzt zieht die Oppositionspolitikerin riesige Menschenmengen an. Der Film vermittelt durch Aye Aye Zin eine Idee, wie der aktuelle Wahlkampf aussieht und wie dabei engagierte Reporter um Geschichten und Bilder kämpfen.

Die anderen Protagonisten sind ein Punk in Yangon (Rangun), der seine junge Familie 2008 beim Zyklon Nargis verlor und sich heute als Schuhverkäufer durchschlägt. Eine aus wirtschaftlicher Not geflohene Mutter wird begleitet, die auf der Müllkippe einer thailändischen Grenzstadt überlebt. Und ein junger Mönchsaktivist schildert, wie er Proteste organisierte und abtauchen musste.

Der Film begleitet die Pro­tagonisten reihum, dazwischen gibt es animierte Einführungen in die politischen Entwicklungen des Landes. „Myanmar Goes DemoCrazy“ ist Grendels erster Dokumentarfilm und profitiert stark von dessen normaler Arbeit als Kameraassistent. Grendel sind sehr starke Bilder gelungen. Sie zeigen nicht nur den politischen Wandel, sondern auch die soziale Realität und sind in ihrer Intensität etwas besonderes.

Die prekären Lebensverhältnisse werden weder dramatisiert noch exotisiert, sondern als Lebenswirklichkeit dokumentiert. Das verleiht den Protagonisten Authentizität und Glaubwürdigkeit. Daniel Grendel kam die Idee zu dem Film vor einigen Jahren bei einem Badeurlaub in Thailand, als er einen birmesischen Fischer kennenlernte und von seiner Flucht erfuhr. Den engagierten Film hat Grendel überwiegend selbst sowie durch Crowdfunding finanziert. Herausgekommen ist ein so engagierter wie sehenswerter Dokumentarfilm. Sven Hansen

„Myanmar goes Democrazy“. Regie: Daniel Grendel. Myanmar/Thailand/Deutschland 2014, 90 Min. Premiere 26. Oktober, 19.30 Uhr im Kino Moviemento, im Anschluss Diskussion mit dem Filmteam